Die Tochter des Leuchtturmmeisters
den Bildschirm zu schauen.
»Nein, die Artikel sind auf Deutsch«, sagte Folke.
»Ach, Deutsch. Bekommst du das hin, ich meine, wovon handeln sie?« Carsten wählte seine Worte mit Bedacht, wohl wissend, dass Folke empfindlich war und auf Formen achtete.
»Ich bin erst beim zweiten Artikel. Der handelt davon, wie man in Schweden Häuser findet und kauft und was für Regeln dabei gelten: Taxwert, Makler, Grundsteuer und so weiter.«
»Hast du seinen Namen mit dem Verzeichnis vermisster Personen abgeglichen?«, fragte Carsten.
»Äh … nein.« Folke räusperte sich. Er kam sich bescheuert vor, weil er es nicht getan hatte, und Marita um Hilfe bitten wollte er nicht. »Das hatte ich gerade vor«, brummelte er und wand sich auf seinem Stuhl.
»Gib mir den Namen, dann reiche ich das weiter, und du kannst mit den Artikeln fortfahren. Ich muss sowieso mit Marita reden«, sagte Carsten und warf einen Blick auf die Uhr.
Folke sah erleichtert aus, als er das Blatt mit dem Namen abriss und es Carsten gab.
Es waren insgesamt neun Artikel, aber bereits beim fünften fand Folke, dass er anders wirkte. Darin wurde Schwedens Rolle als neutrales Land im Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt. Der Artikel hatte größeres Gewicht und war sprachlich anspruchsvoller. Marita hatte Folke notgedrungen dabei geholfen, ein Deutsch-Schwedisch-Wörterbuch zu finden, aber natürlich erst, nachdem sie ihn darauf hingewiesen hatte, dass es im Computer eine entsprechende Suchfunktion gab.
Mit flinken Fingern ermittelte Karin die Position, die Anita hinter der dunklen Täfelung der Bibliothek gefunden hatte.
»57 Grad, 54,4 Minuten, Nord«, sagte sie und blickte auf Anitas handgeschriebenen Zettel, »und 11 Grad, 29,5 Minuten, Ost.« Rob schaute beeindruckt zu, als sie Zirkel und Lineal über der Seekarte bewegte und mit dem Bleistift schließlich ein Kreuz machte.
»Dort«, sagte sie und zeigte auf die Inseln, die unmittelbar daneben lagen. Systrarna und Elloven.
»Du, Rob«, fuhr sie nachdenklich fort. »Diese Tätowierung, die Arvid Stiernkvist hatte.« Rob wühlte in seinen Taschennach dem Zettel und fand ihn im selben Augenblick wie Karin die entsprechende Aufzeichnung in ihrem Notizbuch. Es stimmte. Die Zahlen von Arvids Tätowierung waren genau dieselben wie die Position, die sie gerade auf der Karte markiert hatte, abgesehen von den beiden letzten Zahlen, die Vier beziehungsweise die Fünf, die sie zuvor nicht hatten deuten können. Erst Anita hatte das möglich gemacht. Alle Theorien, angefangen von der Nummer aus einem Konzentrationslager bis zu der eines Schweizer Bankkontos, waren falsch gewesen. Die Nummer bezeichnete einen Breiten- und einen Längengrad im gewaltigen Koordinatensystem der Erde und wies darauf hin, dass sich an dieser Stelle etwas im Wasser befand.
»Hat Per in das Buch geschaut?«, fragte Karin.
»Ja«, sagte Anita, »aber wir hatten die ausgerissene Seite und die neuen Gedichtzeilen gerade erst entdeckt, als er wegmusste. Es hat ihn genervt, schon wieder ein Gedicht zu finden.«
»Und sonst hat niemand das Logbuch gelesen?«, fragte Rob.
»Nicht bei uns. Aber wir hatten es Bruno Malmer geliehen, und vielleicht hat er es jemandem gezeigt, da müsst ihr besser ihn fragen.«
»Dann haben wir also Bruno, deinen Mann und dich«, sagte Rob.
»Nein, warte mal«, erwiderte Anita zögernd. »Gestern hatten wir Gäste. Einer von ihnen, Waldemar von Langer, blieb noch eine Weile, als die anderen schon gegangen waren. Ich war gerade mit dem Buch heimgekommen, und es lag auf dem Küchentisch.« Sie zeigte auf die Stelle. »Er könnte hineingesehen haben.«
Karin konnte nicht umhin, von ihrem Notizbuch aufzuschauen, als Waldemars Name fiel. Sie warf Rob einen Habich’s-nicht-gesagt-Blick zu.
»Aber er kann ja wohl nicht gewusst haben, um welche Seite es ging«, sagte Rob mehr an Karin gerichtet als an Anita.
»Nein, es ist unwahrscheinlich, dass er sofort die richtige Seite aufgeschlagen hat, und wenn doch, hätten ihm die neuen Gedichtzeilen nichts gesagt«, meinte Anita.
»Gibt es noch mehr, was wir wissen sollten?«, fragte Rob.
Anita überlegte und schüttelte dann den Kopf.
»Nein, ich glaube nicht.«
Bevor sie gingen, gab Anita Karin das Logbuch. Einen kurzen Moment hielten sie es beide fest, und Anita sah Karin an, ohne etwas zu sagen. Es war deutlich zu spüren, dass es weit mehr als ein Buch war, das sie ihnen übergab. Karin instruierte Anita, sie solle sofort anrufen, falls jemand anders
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