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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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käme und nach dem Logbuch fragte. Sie ließen sie am Küchentisch sitzend zurück, noch immer in ihrer Daunenjacke. Rob hatte ihr eine Tasse Tee gemacht und Karin ihr einen Zettel mit ihrer beider Mobilnummer hingelegt, falls ihr doch noch etwas einfallen sollte. Auf dem Weg nach draußen rief Karin bei Lycke an, die versprach, sofort zu ihrer Schwiegermutter zu gehen.
    »Ich wollte nicht fragen, als wir noch drin waren, aber meinen wir Piraten im Sinne von Seeräuber, oder ist das irgendeine Spezialbezeichnung, die für Boote oder so verwendet wird?«, fragte Rob, als sie in der Diele standen.
    »Piraten im Sinne von Seeräuber. Hast du nicht Burt Lancaster in
Der rote Korsar
gesehen?«, erwiderte Karin, die sich an das Schwarzweißfoto des blonden Piraten mit nacktem Oberkörper erinnerte, das sie damals aus der Zeitung ausgeschnitten hatte.
    »Doch, das ist ja ein Klassiker, selbst für eine Landratte wie mich.«
    »En garde«, sagte Karin. Sie pikste Rob scherzhaft in den durchtrainierten Bauch und gab vor, ihn mit dem Degen zu attackieren.
    Rob rührte sich nicht vom Fleck. Er stand unter dem Kronleuchter in der freundlichen Diele und sah aus, als hätte er sich verhört.
    »Meinst du allen Ernstes, wir haben es hier mit Piraten zu tun?«
    Rob wusste, dass Karin manchmal mit Scherzen reagierte, wenn sie sich in Bedrängnis fühlte. Es half ihr in gewisser Weise, sich zu konzentrieren, wenn sie eine Menge halbverrückter Späße machte – eine Art Brainstorming, um alle Energien freizusetzen. Er persönlich bevorzugte eher einen stillen Raum, obwohl er sich daran gewöhnt hatte, umgeben von Lärm und Getobe zu arbeiten, besonders seit er Vater geworden war, oder wenn er Folkes Ausführungen lauschen musste, während er gleichzeitig ernsthaft nachzudenken versuchte.
    »Okay«, sagte Karin. »Die Frage ist, was wir als Nächstes tun. Wir haben jetzt noch einen verschwundenen Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht freiwillig abgetaucht ist. Wenn ihn jemand entführt hat, wage ich auf den Ort zu tippen, zu dem sie unterwegs sind.«
    »Zu der Stelle zwischen den Inseln Systrarna und Elloven?«, fragte Rob.
    »Mit jemandem, der glaubt zu wissen, wo das Wrack liegt.« Dann aber durchzuckte sie ein Gedanke: »Wenn die Person Arvid Stiernkvists Tätowierung schon kennt, braucht sie Per gar nicht. Man muss doch nur Arvids Tätowierung kennen und sie richtig auslegen, hast du das schon bedacht?«

Oslo, Frühjahr 1964
     
    Der Junge wurde geboren, als der Winter in den Frühling überging. Er lag an ihrer Brust, und Elin strich ihm übers Haar, das so sehr dem ihren glich. Augen und Nase hatte er von Arvid. Wie sehr sie sich wünschte, dass er diesen Tag erlebt hätte, als ihr Sohn das Licht der Welt erblickte. Nie war der Verlust spürbarer gewesen als jetzt. Sie zog sich ganz in sich zurück, und sogar Frau Hovdan konnte sie nur mit Mühe erreichen.
    Nachts, wenn der Junge wach wurde und Hunger hatte, setzte sie sich in den Sessel am Fenster. Das bleiche Licht des Mondes fiel herein, und sie sah in die Dunkelheit hinaus, schaute zum Sternenhimmel hinauf und fragte sich, warum Gott ihr Arvid genommen hatte. Sie weinte, als sie mit Gott sprach, aber nie gab er eine Antwort. Sie hatte damit gedroht, den Sohn nicht taufen zu lassen, aber auch das schien Gott nicht zu kümmern. Ganz im Gegensatz zu Frau Hovdan.
    »Jetzt reicht es mit dem Unsinn«, hatte sie gesagt und einen Termin in der Kirche ausgemacht.
    Der Junge wurde Axel getauft, nach seinem Großvater mütterlicherseits, und mit dem zweiten Namen hieß er Arvid, nach seinem Vater.
    Eines Abends gut drei Jahre später, als es Zeit war, zu Bett zu gehen, wollte er wissen: »Wo ist mein Papa?«
    Sie hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde, und oft darüber nachgedacht, was sie antworten sollte. Dennoch empfand sie die Frage wie einen Schock, als sie dann wirklich kam.
    »Papa ist im Himmel.« Obwohl mehrere Jahre vergangen waren, spürte sie, wie der Druck auf ihre Brust bei diesen Worten zunahm. Sie fragte sich, ob Arvid sie beide sehen konnte, ob er ihren prächtigen Sohn sah und die gutlaufenden Restaurants, die sie betrieb.
    »Können wir ihn besuchen?«, fragte der Junge.
    Sie zog die Kommodenschublade auf und nahm das Album heraus, öffnete es vorsichtig und zeigte dem Sohn die Bilder. Großvater in seiner Leuchtturmmeisteruniform auf Hamneskär. Im Hintergrund die rote Pater-Noster-Krinoline. Die Klippen, das Meer. Marstrand. Eine Großaufnahme von

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