Die Tochter des Leuchtturmmeisters
eine Nebenwirkung der Tabletten, die sie einnahm. Egal, wie langsam sie auch aufstand. Sobald sie es wagen konnte, stieg sie die Treppe hinunter, das weiße Holzgeländer fest umklammernd. Sie schaffte es gerade noch, sich auf die Toilette zu setzen und den Blecheimer auf den Schoß zu nehmen. Es war, als ob sie Wasser ließe, obwohl sie Stuhlgang hatte. Oben und unten kam es gleichzeitig heraus. Auf ihrer Stirn stand kalter Schweiß. Nach einiger Zeit wurde esbesser, und sie stellte den Eimer vorsichtig auf den blauen Klinkerboden. Mit etwas Papier wischte sie sich Mund und Gesicht trocken.
Lange saß sie mit gekrümmtem Rücken da, das Gesicht in die Hände vergraben. Am Ende spürte sie, dass sich die Klobrille in ihre Schenkel schnitt. Da erhob sie sich, drehte den Hahn auf und ließ das Wasser eine Zeitlang laufen, damit es richtig kalt wurde. Sie wusch sich das Gesicht, hielt den Mund unter den Hahn und trank, spülte den Eimer aus, band die Haare mit feuchten Fingern hoch und sah in den Spiegel. Ein Paar rotgeäderte Augen mit dunklen Ringen schauten zögernd zurück. Himmel, sah sie fertig aus.
An ihren nackten Waden fühlte sie etwas Weiches. Der Kater. Er schnurrte nicht wie üblich, strich nur langsam um ihre Beine und sah sie nachdenklich an. Mit der Hand auf dem Geländer stieg sie die Treppe wieder hoch. Setzte mit raschen, routinierten Bewegungen Wasser auf, und während es kochte, stellte sie eine große Tasse, Teebeutel, Honig und Milch auf den Tisch. Tomas würde auch bald aufwachen, um zur Arbeit zu fahren, und wo sie nun schon einmal zugange war, konnte sie die Zeit auch gleich nutzen, um ihm ein Frühstückstablett vorzubereiten. So würde er schneller loskommen und Zeit sparen. Die Küchenbank mit ihren weichen Kissen sah einladend aus, trotzdem setzte sie sich mit der Teetasse zwischen den Händen auf einen Stuhl am Tisch. Die Uhr am Küchenherd zeigte 05.36. Sie starrte in den Regen hinaus, der auf das Blechdach der Veranda prasselte, während ihr Tee kalt wurde. Das Auto stand nach der falschen Seite geparkt. Mit nackten Füßen schlüpfte sie in die Gummistiefel und rannte hinaus. Wendete den Wagen und stellte ihn in die richtige Richtung und auch gleich raus auf die Straße, damit Tomas nicht erst zurücksetzen musste und weitere Minuten sparte. Er stand in der Schlafzimmertür, als sie hereinkam. Seine Haare waren zerwühlt, und er hielt Linus auf dem Arm.
»Aber Sara, Liebste, wie geht’s dir?«, fragte er bekümmert.
»Hallo, Schätzchen, bist du wach?« Sara strich dem Sohn über den Kopf und ignorierte die Frage.
»Wieso warst du draußen?«
Sara hielt die Zeitung hoch, sagte aber nicht, dass sie auch das Auto umgestellt hatte. Der Kleine streckte seine Arme nach ihr aus.
»Möchtest du das Fläschchen, Linus?«
Er sog heftig am Schnuller und nickte.
»Aber warum steht denn der Wagen auf der Straße?«
»Ich hab ihn auch gleich umgestellt, als ich draußen war.«
»Und Frühstück hast du auch gemacht. Also Sara, du sollst dich ausruhen. Aus dem Grund bist du doch zu Hause. Nutze die Zeit zum Schlafen. Ich kann mir selber Frühstück machen, auch wenn das total lieb von dir ist.«
»Ich kann nicht schlafen. Bin wach geworden, weil ich so aufgeputscht war.« Sie fing an zu weinen. »… Und dann heule ich die ganze Zeit. Wie lange soll das noch so gehen?«
»Jetzt ist es nun mal so, deshalb bist du ja zu Hause. Willst du, dass ich heute auch hierbleibe?«
»Nein, nein, das ist nicht nötig.«
»Mama?«
Sie wischte die Tränen weg und sah den Kleinen an.
»Ja, Liebling?«
»Linus ei machen.«
Sie streichelte ihm die Wange. Er streichelte zurück. Die warmen Händchen strichen ihr übers Gesicht. Erst über die eine Wange, dann über die andere. Von neuem liefen die Tränen. Sie zog eine Schublade auf und nahm das Milchpulverpaket heraus. Stellte den Herd an und goss die abgemessene Wassermenge in den Topf. Pulver hinein und zum Schneebesen gegriffen. Ihr Sohn hatte die Arme um ihren Hals geschlungen und seinen Kopf an ihren gelehnt. Mit dem fertigen Fläschchen gingen sie wieder ins Bett. Sie hob Linnéa aus dem Gitterbett zu sich herüber, und die Tochter trank,ohne aufzuwachen. Linus schlief erneut ein und lag leise schniefend dicht neben ihr. Sara versuchte die Wärme der kleinen Körper zu genießen. Sie schaute auf den Radiowecker und hörte, wie Tomas den Wagen startete. Jetzt sollte sie neben ihm sitzen und zum Job fahren. Was man bei ihrer Arbeitsstelle wohl
Weitere Kostenlose Bücher