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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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drehte die Temperatur höher und ließ die Haarkur ganze dreißig Sekunden einwirken. Eigentlich hätte sie eine richtige Packung gebraucht. Es war noch nicht später als halb elf, und erst um zwei Uhr hatte sie den Termin in Kungälv. Der Fön surrte bereits, als sie die brennenden Kerzen auf dem Küchentisch bemerkte. Nur noch ein kleines Stück war von ihnen übrig, dann hätte es die Zeitung erwischt. Beim Frühstück mit den Kindern hatte sie die Kerzen angezündet, und seitdem hatten sie gebrannt. Das Problem war ihr Gedächtnis, oft erinnerte sie sich nicht, brachte alles durcheinander. Genauso hatte es angefangen, sie hatte im Büro gesessen und nicht mal mehr die Namen ihrer engsten Kollegen gewusst. Da war ihr klargeworden, dass etwas verkehrt lief.
    Das Telefon klingelte, und Tomas schlug ihr vor, sie zu dem Termin bei der Krankenkasse zu begleiten, doch sie lehnte ab. Wegen einer solchen Kleinigkeit musste er nicht von der Arbeit weggehen. Also wirklich, damit kam sie ja wohl allein klar. Genau eine Minute nach zwei öffnete sich die Tür mit dem Zahlencode in der Krankenkasse von Kungälv.
    »Sara von Langer.« Eine Frau rief ihren Namen auf, obwohl außer ihr nur noch zwei Personen im Raum waren. Die Frau, die sich mit Maria vorstellte, trug einen gestreiften Strickpullover mit ausgeleierten Ärmeln und einen verwaschenen braunen Rock mit zwei großen aufgesetzten Taschen. Er erinnerte Sara an einen Rock, den sie nach Abschluss der Universität in eine Kleidersammlung gegeben hatte, und das war nicht gerade wenige Jahre her.
    Die Haare der Frau waren kurzgeschnitten und knallrot gefärbt, Sara musste an eine Wurzelbürste denken. Die Fraubat sie in ein anonymes Zimmer mit traurigen Gardinen und einem alten Overheadprojektor in der Ecke. An den Wänden klebte eine Gewebetapete, gestrichen in einer Farbe, die man »Champignon depressiv« oder so ähnlich nennen sollte. Ein praktisches, unempfindliches Linoleum bedeckte den Fußboden, und jemand hatte ein paar übriggebliebene Regale ins Zimmer gestellt, die sich gähnend leer an den Wänden aufreihten. Die Frau hatte den Knopf neben der Tür gedrückt und so ein rotes Lämpchen eingeschaltet, das draußen mitteilte, dass sie im Gespräch war. Sara kam sich vor, als sei sie zum Verhör einbestellt.
    »Also … Sara, dann wollen wir mal sehen. Ich werde diese Papiere hier über dich ausfüllen, damit wir Hintergrundinformationen erhalten.« Marias Atem roch scharf nach Zigarettenrauch. Mit der Hand wies sie auf eine Reihe Formulare.
    »Na, berichte mal!«
    Langsam begann Sara zu erzählen, so sachlich, wie sie nur konnte. Sie bemühte sich um extreme Deutlichkeit, weil die Frau auf der anderen Seite des Tischs mit Akzent sprach.
    »Was arbeitest du?«
    Sara buchstabierte den komplizierten Namen der Firma und machte ein paar Skizzen auf einem Blatt Papier, um zu veranschaulichen, was die Firma tat und welch interessante Großprojekte sie bediente. Wohnungen für Öl- und Gasplattformen. Projekte in einer Größenordnung von fünfzig Millionen bis zu einer Milliarde Kronen.
    »Aha«, sagte Maria ohne größere Begeisterung, so als hätte sie gar nicht zugehört. »Und ein solches Projekt betreust du allein?«
    »Allein? Nein, daran sind ziemlich viele Leute beteiligt. Bis zu sechshundert Personen. Ich kümmere mich um die Finanzen und die Bewerkstelligung der Projekte.«
    »Um die Finanzen der Projekte«, wiederholte Maria. Sara betrachtete die nikotingelben Nägel, die vor ihr über das Formular fuhren.
    »Also, bei deiner guten Ausbildung. Warum kannst du da nicht arbeiten?« Maria schob die Brille auf die Nasenspitze und schaute Sara kritisch an.
    »Mir geht es im Moment nicht so gut.« Sie biss sich in die Wange. Was für eine Untertreibung.
    »Alle können arbeiten. Wenigstens zu fünfundzwanzig Prozent, findest du nicht?«
    Nein!, wollte Sara schreien. Das fand sie wirklich nicht.
    Werd nicht wütend, bleib ruhig und sachlich. Sara räusperte sich und bemühte sich um eine Antwort.
    »Ich hab im Augenblick einen Tiefpunkt und brauche ein bisschen Hilfe. Es ist wirklich ein Problem, wenn man auf der Arbeit sitzt und weint. Man hat das Gefühl, unprofessionell zu sein.« Sie erinnerte sich an die Projekttagung, bei der sie vorgegeben hatte, etwas ins Auge bekommen zu haben, um auf die Toilette gehen zu können. Dort hatte sie dann heulend gesessen, bevor sie neues Make-up aufgetragen und den Raum wieder lächelnd betreten hatte.
    »Weinen ist etwas ganz

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