Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
anfangen, die Mauer einzureißen«, schlug Maru verzweifelt vor. »Dann sind wir nachher schneller.«
»Auch das ist ein guter Gedanke, Maru«, lobte Tasil. »Doch wenn wir nur einen Stein zu viel entfernen, wird man das Loch auf der anderen Seite entdecken. Oder man würde uns gar jetzt schon hören! Es könnte dann sein, dass Numur beschließt, das Geheimnis um diesen Gang preiszugeben. Also müssen wir uns in Geduld üben und dann schnell handeln.«
»Wenn sie uns jetzt hören, dann hören sie uns doch auch später, das heißt, wir wären doch auch dann verloren. Ist es nicht so? Ist das alles nicht viel zu gefährlich, Onkel?« Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, die Gefahr abzuwenden.
Tasil schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich ein kluges Mädchen, Maru. Doch später ist einiges anders. Das Grab wird geschlossen, und Numur und der Immit kehren zurück in die Stadt. Dann beginne ich, hier zu arbeiten. Man wird es vielleicht hören, das kann ich nicht verhindern. Die Priester und Wachen, die dann noch hier sind, werden sich fragen, was das sein mag. Sie werden Zeit brauchen, bis sie den Verdacht haben, dass etwas nicht stimmt. Sie wissen ja nichts von dem geheimen Gang.«
»Abeq Asidi weiß von ihm«, warf Maru ein.
»Wer?«
»Der Abeq des Ahntempels.«
»Ah, ich erinnere mich«, sagte Tasil. »Bist du dir sicher?«
»Er weiß, dass es ihn gibt, mehr nicht.«
»Richtig, er fragte gar nicht, wie ich mit Iddin entkommen wollte … Das ist nicht gut. Wir haben noch weniger Zeit, als von mir erwartet.« Er schloss die Augen und bewegte stumm die Lippen. Maru kannte diesen Gesichtsausdruck. Er überdachte und änderte gerade einmal wieder einen Plan.
»Also dieser Abeq ahnt, was vorgeht«, setzte Tasil seinen Gedankengang schließlich fort, »und sendet einen Boten in die Stadt. Der wird einige Zeit brauchen, denn normalerweise haben sie keine Pferde hier. Er muss nach Serkesch auf den Tempelberg, um Malk Numur zu benachrichtigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Numur den Bet Raik verlassen kann – oder will. Er wird morgen viel zu tun haben, mit Schaduk, den Hakul und anderen Dingen. Also wird er Berittene aussenden. Vermutlich werden sie versuchen, uns an den Pforten dieses Geheimgangs abzufangen. Sobald ich also beginne, hier Ziegelsteine zu zertrümmern, haben wir im ungünstigsten Fall nur etwa zwei Stunden Zeit zu entkommen. Und deshalb muss auf der anderen Seite dieser Wand schon alles bereitliegen, wenn ich durchbreche. Verstehst du das jetzt?«
Maru verstand. Sie verstand, dass sie sich in der Gruft verstecken musste, dass es keine andere Möglichkeit gab, Tasils Vorhaben in die Tat umzusetzen. Aber sie wollte nicht! Die warnende Stimme schrie jetzt in ihrem Hinterkopf. Da war ein gewaltiges Loch in diesem Plan. Es gab einen Haken, das konnte sie spüren, beinahe greifen. Aber eben nur beinahe.
»Aber muss es denn sein, Onkel? Hast du nicht genug Silber in Serkesch verdient?«, fragte sie matt.
Tasil lachte. »Was heißt schon genug? Die hohen Herren waren recht großzügig mit dem Silber, aber das ist alles nichts gegen das, was in diesem Grab auf uns wartet. Wenn wir entschlossen und schnell sind, werden wir heute reich werden, Maru.«
»Wir?«, fragte Maru missmutig.
Tasil sah sie für einen Augenblick prüfend an. Dann langte er kurz entschlossen in seinen Umhang und zog etwas hervor. Es war lang, schmal und in Stoff gewickelt. Er drückte es Maru in die Hand. Es war schwer. Sie ahnte, was es war, und packte es ungläubig aus.
»Das ist ein Dolch der Hakul!«, rief sie erstaunt.
»Er gehört dir, Maru.«
»Aber...«
Er winkte ab. »Ich weiß, du als Sklavin darfst eigentlich kein Eigentum haben, aber ich denke, in deinem Fall mache ich eine Ausnahme.«
»Aber...«
»Und wenn wir erst einmal in Sicherheit sind, werden sich bei den Romadh sicher noch ein paar schönere Kleidungsstücke für dich auftreiben lassen. Wenn es mir gut geht, soll es auch dir gut gehen.«
»Aber...«
»Du kannst mir später danken. Jetzt müssen wir dich erst mal unauffällig in dieses Grab schaffen.«
Maru öffnete den Mund noch einmal, dann schloss sie ihn. Dank? Sie wollte den Dolch nicht, nicht einmal das neue Kleid. Sie wollte nur lebend hier weg. Aber er hatte das entscheidende Wort gesagt: Sklavin . Sie war sein Eigentum. Was konnte sie also schon tun, außer zu gehorchen? Sie nahm den Dolch und steckte ihn in den Gürtel. Immerhin zeigte er, dass Tasil ihre Dienste
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