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Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin

Titel: Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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hat.«
    »Auch das hast du gehört?«
    »Man sollte nicht streiten, wenn man zwischen zwei Tempeln steht.«

    »Du meinst, die Götter fühlen sich gestört?«
    Jetzt lachte Biredh noch lauter: »Nein, aber die Mauern verstärken den Schall der Worte.«
    »Wir haben nichts Schlimmes gesagt.«
    Das Lachen verebbte, und Biredh senkte seine Stimme: »Nun, vielleicht nicht, aber es ist sicher nicht gut für den Schreiber, wenn man erfährt, dass er Fremden geheime Berichte vorliest.«
    »Geheim? Es war nur ein einziger Satz, über Salz!«, widersprach Maru.
    »Zwischen den Tempeln werden Worte nicht nur verstärkt, sondern auch verdreht. Salz? Das ist das weiße Gold der Romadh. Wen außerhalb des Palastes geht es etwas an, wer es bringt und wie viel und wann? Du musst vorsichtig sein! Weißt du nicht, wie gefährlich diese Stadt ist?« Biredh seufzte. »Du musst es doch gehört haben: Jeder Mann, ja, jeder Hund und jeder Grashalm in dieser Stadt zittert vor dem nächsten Tag, der doch auch der letzte sein könnte.«
    Maru wusste, was der Alte meinte, auch sie sprach jetzt nur noch im Flüsterton. »Ich habe es gehört, unten im Hafen. Alle haben Angst, dass es Krieg zwischen den Brüdern gibt.«
    »Alle?«
    »Nein, ein Soldat sagte, dass Strydh ungeduldig wird, weil schon so lange Frieden herrscht. Er schien sich fast auf den Krieg zu freuen.«
    »Was hast du noch gehört?«, fragte Biredh. Er war ernst geworden.
    »Sie erwarten jemanden namens Immit Schaduk, aus der Stadt Ulbai. Er scheint die Macht zu haben, den Streit zwischen den Brüdern zu schlichten. Er muss bald eintreffen.«
    »Immit, das ist ein Titel, kein Name. Er ist der Vertraute des Kaidhan, seine rechte Hand. Seine Worte sind so gut wie die des Herrschers. Auch ich habe gehört, dass er erwartet wird.« Der Alte
schwieg einen Augenblick, bevor er fragte: »Ist dir klar, was das bedeutet?«
    Maru dachte nach, gelangte aber zu keiner befriedigenden Antwort. »Nein, denn ich verstehe diesen ganzen Streit nicht.«
    Biredh seufzte: »Wie solltest du auch? Es ist ein Zwist, den es nur bei den Akkesch geben kann. Dann hör zu, Mädchen! Werden die ersten Söhne eines Mannes in der gleichen Stunde geboren, Zwillinge also, so ist das ein besonderer Segen der Hüter, gut für die Familie, die doch zahlreich werden soll und stark. Ein großes Dankopfer ist den Göttern für dieses Geschenk gewiss. Obwohl am selben Tag geboren, gilt doch einer von den Zwillingen als der Ältere, als der, der den Hof, die Schmiede oder das Fischerboot des Vaters erbt. Die Budinier, die Kydhier, selbst die wilden Hakul, alle handhaben es so – nur die Akkesch nicht. Bei ihnen gelten die Söhne als gleichgeboren. Bei ihnen hat der Vater also zwei Erstgeborene, die für ihn die Opferfeuer entzünden, wenn er nach Ud-Sror hinabgestiegen ist – und deshalb teilen die Söhne nach dem Tod des Vaters das Erbe zu gleichen Teilen auf. Manchmal verzichtet einer der beiden auf sein Erbrecht. Dies soll von Zeit zu Zeit geschehen, bei Brüdern die einander lieben. Doch unsere Malk sind solche Brüder nicht. Wie Feuer und Wasser sind Numur und Iddin, und keiner von beiden wird auf sein Recht verzichten. Doch wie soll man eine Stadt aufteilen? Wie den Thron eines Raik? Deshalb wird das Schwert entscheiden, es sei denn, der Immit findet eine andere Lösung. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass er bald hier sein wird – und auch eine schlechte.«
    Biredh war während seiner Erklärungen in seinen wohlklingenden Erzählton verfallen, jetzt schwieg er. Er schien dem Wind zu lauschen, während Maru versuchte zu ergründen, was der letzte Satz bedeuten mochte. Wie konnte es gleichzeitig gut und schlecht sein, dass der Immit bald hier sein sollte?
    »Denk nach, vielleicht findest du die Lösung selbst. Es würde
mich nicht überraschen«, sagte Biredh, als hätte er ihre Gedanken erraten. Er erhob sich.
    »Wo willst du hin?«, fragte Maru.
    »Auf den Platz hinaus. Hörst du es nicht? Der Malk kommt.«
     
    Tatsächlich strömte draußen eine Menschenmenge auf den Platz der Edhil-Säule. Er war schnell überfüllt, doch immer noch drängten weitere Menschen nach. Maru war Biredh gefolgt, hatte den Alten im Gedränge aber schnell aus den Augen verloren. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, und alle reckten die Hälse, um nach etwas Ausschau zu halten, was den Platz offenbar noch nicht erreicht hatte. Da die meisten Menschen größer waren als sie, konnte Maru nicht viel erkennen.

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