Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
er stolz. »Nun, die erste Schwierigkeit war, dich unauffällig aus der Grube zu holen. Aber dann wollten Malk Numurs Männer, dass
die Sklaven den Platz reinigen. All das Blut, die vielen Leichen, es ist ein furchtbarer Anblick! Und es ist ein unerhörter Frevel. Noch nie in der Geschichte dieser Stadt wurde die heilige Totenruhe eines Raik auf so widerwärtige Weise gestört. Malk Numur wird große Opfer bringen müssen, um den gerechten Zorn seiner Ahnen zu besänftigen! Wenn es ihm überhaupt gelingt, was ich zu bezweifeln wage. Das Totenkleid Utus befleckt vom Blut einfacher Krieger! Wo war ich? Ah, der Plan! Ich habe also einfach alle Sklaven aus der Grube geholt, sodass die Krieger den Überblick verlieren. Niemand wird merken, dass einer fehlt.«
Der Abeq lächelte selbstzufrieden. Maru fand allerdings, dass dazu wenig Grund bestand.
»Gut, ich bin hier, ehrwürdiger Abeq«, sagte sie, »aber ich bin noch nicht in Sicherheit und schon gar nicht dort, wo mein Onkel mich, mitsamt Pferd, treffen will.«
»Nur Geduld, Mädchen, nur Geduld. Das Beste kommt doch noch. Ich werde dich nämlich gleich mit einer wichtigen Botschaft in die Stadt schicken. Und da sie so eilig und dringend ist, wirst du das Pferd brauchen. Und bevor du fragst: Sie ist schon geschrieben. Einer meiner jungen Priester hat sie verfasst. Sie ist sogar echt, denn ich berichte den Abeqai des Tempelbergs von den traurigen Vorkommnissen dieses Morgens. Wir werden gemeinsam eine angemessene Sühne für diesen Frevel festlegen. Die Ahnen von Utu sind zornig, das kann ich spüren, und wir müssen sie besänftigen. Sonst wird großes Unglück über Serkesch hereinbrechen!«
»Und das alles ist dir eingefallen?«
»Nicht alles, ich gebe zu, dieser Teil der Idee ist von deinem Onkel.«
»Aber werden Numurs Männer mich durchlassen? Ist es denn üblich, dass einfache Sklaven eine so wichtige Botschaft befördern?«
»Nein, natürlich nicht, aber daran habe wiederum ich gedacht. Ich glaube, diese Lumpen, die du trägst, haben ihren Zweck erfüllt. Ich habe das Gewand eines einfachen Tempeldieners für dich. Ich hoffe, das genügt dir. Du solltest dich natürlich waschen, und wir müssen dir wohl die Haare scheren.«
»Nicht die Haare!«, sagte Maru sehr bestimmt.
»Aber du weißt doch, Tempeldiener müssen kahl sein, da sie sonst das Heiligste verunreinigen könnten.
»Nicht die Haare!« Maru sah den Abeq lange mit ihren grünen Augen an.
Er wurde unsicher.
»Ich gebe zu, es hat Nachteile. Man wird sich fragen, warum Tasils Nichte geschoren ist. Aber du könntest später ja ein Kopftuch tragen!«
»Und kann ich das Kopftuch nicht jetzt tragen, ehrwürdiger Abeq? Und mein Haar darunter verstecken?«
»Hm, nun ja, bei der Feldarbeit tragen unsere Jungpriester und Diener manchmal ein Kopftuch, gerade wenn sie frisch geschoren sind. Dann ist die Haut sehr empfindlich, musst du wissen. Aber sehr überzeugend scheint mir das nicht zu sein.« Es schien, als hinge er sehr an seiner ursprünglichen Idee.
»Ich finde es überzeugend genug, ehrwürdiger Abeq«, sagte Maru, und sie sah ihn so entschieden an, dass er nicht widersprach.
Es zeigte sich, dass Abeq Asid – das war sein Name – ein umsichtiger Mensch war. Als Maru nämlich darauf hinwies, dass sie unmöglich eine Botschaft auf den Tempelberg bringen konnte, weil sie schließlich dort schon einmal gewesen sei, beruhigte der Priester sie. »Es ist nicht notwendig, dass du in die Stadt reitest. Ich habe einen der Diener bereits kurz nach der Schlacht mit einer anderen Botschaft losgeschickt. Er wird dich vor dem Tor des Brond erwarten,
wenn du ihn nicht schon vorher einholst. Wenn die Wachen fragen, behaupten wir einfach, wir hätten etwas vergessen.«
Er gab ihr eine genaue Beschreibung des Mannes, die vermutlich gar nicht nötig gewesen wäre. Es würden nicht viele junge Priester zwischen dem Gräbertal und der Stadt unterwegs sein.
Ein Tempeldiener kam und führte Maru in einen Waschraum. Es gab dort eine steinerne Schale, die mit eiskaltem Wasser gefüllt war. Sie fand es wundervoll erfrischend, sich den Staub und Lehm der Sklavengrube abzuwaschen. Dann zog sie sich um. Es war der schlichte Leinenüberwurf eines Tempeldieners, wie es Abeq Asid gesagt hatte, aber es war besser als alles, was sie bisher in ihrem Leben getragen hatte. Sie ging den Abeq suchen. Der Diener sagte ihr, dass sie ihn im Tempel finden würde.
Der Tempel der Ahnen, das Haus der zu Göttern
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