Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
hier, weit von der Stadt entfernt, arbeitete niemand auf den Feldern. Der Dhanis, befreit von den Höhenzügen, die ihn bis nach Serkesch stets nach Osten zwangen, hatte sich entschieden, nun im weiten Bogen nach Süden zu schwenken. Sein Wasser glitzerte in der Morgensonne.
Hier sollte sie also Tasil treffen. Maru hielt das Pferd an und sah sich um. Es war nichts von ihm zu sehen. Die »große Biegung«, wie er es genannt hatte, war natürlich leicht zu finden, aber sie war eben auch groß . Sie wünschte, Tasil hätte einen etwas genaueren Treffpunkt angegeben. Sie entdeckte nahe dem Ufer ein kleines Wäldchen aus Dattelpalmen, das Schatten bot und so vereinzelt in den Feldern stand, dass es ins Auge fiel. Sie lenkte das Pferd dorthin, kletterte aus dem Sattel, band das Tier an einer der schlanken Palmen an und lehnte sich mit dem Rücken an eine andere.
Das Land war flach, Tasil würde das Pferd entdecken. Die Müdigkeit kam zurück – und der Hunger. Sie wickelte den Hirsebrei und das Brot, das ihr Abeq Asid gegeben hatte, aus den Schilfblättern und aß. Die Schreckensbilder des frühen Morgens verblassten allmählich. Der Fluss rauschte, irgendwo in der Nähe zwitscherte ein Singvogel, in der Ferne blökten Schafe. Sie schlief ein, noch während sie aß …
Langsam öffnete Maru die Augen. Dattelpalmen wiegten sich in einem leichten Wind, grüne Blätter vor wolkenlosem Himmel. Ein Raubvogel ließ seinen hellen Ruf hören. Er war weit weg. Dann kam die Erinnerung zurück wie ein Stachel in diesem friedlichen Tag: der Kampf, die Toten und …
Jemand beobachtete sie! Sie setzte sich auf. Nur wenige Schritte entfernt saß Tasil im Schatten und betrachtete sie, während er die letzten Reste ihres Essens vertilgte. »Ausgeschlafen, Kröte?«
»Ja, Onkel.«
»Wie ich sehe, hatte ich recht. Du hast die Nacht unbeschadet überstanden.« Tasil grinste und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. »Vielleicht bist du doch nicht so völlig unbrauchbar, wie ich annehmen musste.«
»Wo ist Malk Iddin?«
»In einem sicheren Versteck. Und dort wird er bleiben, bis die Sache entschieden ist.«
»Seine Krieger sind gefallen, alle«, sagte Maru. Das Bild des sterbenden Schab stand ihr wieder vor Augen.
»Tapfere Männer, aber dumm.«
»Sie hatten keine Wahl!«, verteidigte Maru die Kämpfer.
»Vielleicht hatten sie die wirklich nicht. Es ist schade um sie. Ihre Eisenwaffen waren ein Vermögen wert.«
Maru lief ein Schauer den Rücken herunter. Kaltblütig hatte Abeq Asid Tasil genannt. Sie fand, er hatte untertrieben.
»Das Gewand, das du da anhast …«
Sie unterbrach ihn. »Der Abeq hat es mir geschenkt. Es ist viel besser als mein altes.«
»Ich hoffe, du hast es noch, denn ich kann dich nicht in der Verkleidung eines Tempeldieners mit mir schleifen.«
Maru konnte ein vorsichtiges Lächeln nicht unterdrücken. »Leider habe ich es dort liegenlassen, Onkel. Du musst mir wohl ein neues kaufen.«
»Meinst du? Ich werde lieber Kwem fragen, ob er nicht ein paar alte Sachen für dich hat.«
»Onkel!«
»Wir werden sehen. Aber jetzt komm, der Tag ist zwar noch jung, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns.«
Seufzend erhob sich Maru aus dem warmen Sand. Der Tag war wirklich noch jung. Dem Stand der Sonne nach war es früher Vormittag. Sie konnte nicht lange geschlafen haben. Ihr Blick fiel auf den Fluss. Über dem tiefblauen Wasser zeichneten sich stromabwärts einige seltsame rote Punkte ab.
»Onkel, sieh nur!«, rief sie.
Tasil war dabei, das Pferd loszubinden. Er richtete sich auf, beschattete die Augen, um besser sehen zu können, und runzelte die Stirn. »Wir sind wirklich spät dran, Maru. Steig auf! Das sind die Schiffe von Immit Schaduk.«
Obwohl sie wenig Hoffung hatte, eine klare Antwort zu bekommen, fragte Maru, als sie im scharfen Trab über die staubigen Felder ritten, was Tasil vorhabe.
Er ließ sich mit der Antwort Zeit. Die Mauern der Stadt rückten näher.
»Sobald wir dich umgezogen haben, werden wir Malk Numur aufsuchen. Ich habe Neuigkeiten, die ihm einiges wert sein dürften.«
»Wirst du ihm verraten, wo sich Malk Iddin versteckt hält?«, fragte sie besorgt. Sie mochte Iddin weit mehr als seinen Bruder.
»Nein, das wäre dumm.«
Maru war jetzt wirklich überrascht. »Heißt das, dass du doch auf der Seite von Iddin stehst?«
Tasil lachte. »Nein, es heißt, dass ich die Kuh, die ich noch melken kann, nicht an den Schlachter verkaufen werde.«
»Aber du wirst ihn
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