Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
schon fort. Warum hat er sie nicht mitgenommen?«
Asid sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Mitgenommen? Ich habe mich schon sehr gewundert, dass er deinem Onkel erlaubt hat, ihn zu begleiten. Niemand darf wissen, dass es diesen Gang gibt, denn er ist die letzte Fluchtmöglichkeit, falls die Stadt einmal belagert und eingenommen werden sollte. Selbst die Schabai von Numur wissen offensichtlich nichts von ihm, denn sonst hätten sie ihn doch durchsucht.«
»Aber du weißt es doch auch.«
Der Priester lächelte. »Ich bin ein Diener der Ahngötter, die Geheimnisse der Hegasch sind bei mir gut verwahrt, und selbst ich weiß nur, dass es ihn gibt. Ich kenne weder Eingang noch Ausgang, noch begehre ich, es zu wissen.«
»Aber warum haben sich die Krieger nicht einfach ergeben? Iddin war doch fort. Warum mussten sie sterben?«
»Es ist nicht gesagt, dass Numur sie am Leben gelassen hätte. Sie sind... waren die Leibwächter seines Bruders, und die beiden befinden sich jetzt im offenen Kampf. Numur wird jeden töten, den er auf der Seite seines Bruders weiß – oder vermutet. Das Schicksal hält düstere Stunden für uns bereit. Die Hüter mögen uns beschützen.«
Als einer der Tempeldiener unterwegs war, um das Pferd zu holen, beschloss Maru, den Priester um einen Gefallen zu bitten. »Würdest du für Iddins gefallene Krieger ein Opferfeuer für mich entzünden, ehrwürdiger Abeq? Ich würde es selbst tun, aber ich weiß noch nicht, wann ich dazu Gelegenheit haben werde.«
Der Abeq nickte. »Ich werde gleich nachher hinübergehen in seinen Tempel und ihnen mit Öl opfern, wenn es dir recht ist. Ihr Pfad nach Ud-Sror soll erleuchtet sein.«
Wenig später führte Maru das Pferd durch den Talkessel. Abeq
Asid hatte sie noch bis zur Pforte begleiten wollen, doch Maru hatte das abgelehnt.
»Der Abeq der Ahngötter wird doch einen Diener nicht zur Tür bringen«, hatte sie gescherzt und so hatten sie sich am Seitenausgang des Tempels verabschiedet. Maru drehte sich nicht um. Abeq Asid war freundlicher als alle Priester, denen sie bisher in ihrem Leben begegnet war. Sie hatte sich in seiner Gegenwart sehr wohlgefühlt, und sie hoffte, dass sie ihn wiedersehen würde.
Als sie den Platz erreichte, blieb das Pferd stehen. Einige Krieger lehnten an den Säulen und sahen den Sklaven zu, die versuchten, die Steine mit Wasser und Sand zu reinigen. Das helle Pflaster war von Blutlachen bedeckt. Sie würden noch viel arbeiten müssen. Maru schnalzte mit der Zunge, wie sie es bei Tasil beobachtet hatte, und zog das Pferd hinter sich her. Pfeile lagen überall verstreut. Ein Sklave war damit beschäftigt, sie aufzusammeln. Es war der, mit dem sie in der Grube gesprochen hatte. Er sah kurz auf, aber in seinem Gesicht zeigte sich keinerlei Regung. Maru fragte sich, was mit ihm und den anderen los war. Ihr fiel ein, dass sie den Abeq hätte fragen können, doch dafür war es jetzt zu spät. Sie war froh, dass die Leichen nicht mehr da waren.
Vorsichtig führte sie das Tier die Stufen des Portals hinunter. Zwei Krieger standen dort Wache, aber sie hielten sie nicht auf. Verwundete lehnten neben dem Portal an den Felsen. Kameraden kümmerten sich um sie. Weiter rechts, vor den schwarzen Überresten des Letzten Hauses des Raik, lagen leblose Körper im Sand. Eine kurze Reihe, angeführt vom Schab Iddins, und eine zweite Reihe, die wesentlich länger war. Es roch immer noch verbrannt. Gegen ihren Willen starrte Maru die Gefallenen an. Das Pferd wurde unruhig, vielleicht vom Qualm, vielleicht vom Leichengeruch. Maru wandte sich ab, zog sich in den Sattel und gab dem Tier die Fersen. Es wurde Zeit, dass sie aus diesem Tal herauskam.
Immit Schaduk
»Das Reich der Akkesch ist groß – und der Kaidhan ist weit.«
Sprichwort der Serkesch
Es war immer noch ein Trauertag für die Serkesch, und als Maru durch die Felder ritt, sah sie keine Menschen. Alles war glatt gegangen. Sie war aus dem Gräbertal geritten, ohne angehalten zu werden. Der Tempeldiener hatte auf halber Strecke auf sie gewartet und die Botschaft für die Priester entgegengenommen, und das Pferd war ihrer Führung gefolgt, als hätte sie ihr ganzes Leben im Sattel verbracht. Jetzt war sie fast am Ziel. Die Stadt lag hinter ihr, und die Hügel des Glutrückens waren einer Ebene gewichen, durch die sich der Dhanis schob. Felder und Dattelpalmenhaine säumten den Fluss, und gelegentlich erblickte sie ein einzeln stehendes Gehöft. Hunde bellten, aber auch
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