Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
und dass Numur das hinnimmt«, lautete die geflüsterte Antwort.
Die beiden Männer standen nun voreinander, und der Immit verbeugte sich. »Gegrüßt seiest du, Malk Numur, Spross des Hauses Hegasch.«
Numur deutete eine Verbeugung nur an. »Noch einmal begrüße ich den Stellvertreter des Kaidhan von Ulbai. Ich hoffe, deine Reise war angenehm.«
»Angenehm?« Schaduk lachte. »Seit fast vier Wochen bin ich schon unterwegs. Und in jedem Dorf und jeder Stadt wurde ich aufgehalten. Immer gab es Klagen und Streitfälle, die ich schlichten musste. Ich frage mich, was diese Leute unternähmen, wenn der Kaidhan sie nicht an meiner Weisheit teilhaben ließe. Angenehm war die Reise also nicht, und auch zu lang«, der Immit wurde ernst, »denn so blieb es mir verwehrt, meinen Freund Utu-Hegasch noch einmal zu seinen Lebzeiten zu sehen. Und an dieser Stelle sei versichert, dass Kaidhan Luban-Etellu, unser aller Herr, wie auch ich und der gesamte Hof von Ulbai in Trauer mit dir verbunden sind. Wir haben mit Utu einen Bruder verloren.«
»Deine Freundlichkeit beschämt mich, Immit. Es tut gut, die Worte der Anteilnahme zu hören. Wir wissen, dass der Kaidhan ebenso um meinen Vater weint, wie ich und die Bewohner seiner Stadt es tun.«
»In der Tat, ich habe bemerkt, dass die Menschen dieser Stadt sehr besorgt sind. Der Verlust scheint sie zutiefst zu bestürzen.«
Der Immit nahm Numur beim Arm und führte ihn plaudernd Richtung Thron. »Es sind immer traurige Tage, wenn ich den Tod eines großen Mannes beweinen muss. Schon manchen guten Raik habe ich gehen sehen, doch noch nie habe ich so viel Sorge und Angst gespürt wie in dieser Stadt.«
»Die Zeiten sind schwierig«, sagte Numur knapp.
»Vielleicht sind sie sogar schwieriger, als sie sein müssten, verehrter Malk. Ich hörte von einem Streit zwischen dir und deinem Bruder.«
»So ist es! Mein eigener Bruder hat versucht, Hand an mich zu legen. Eine Giftschlange sollte mich töten! Im Haus meines Vaters, in den heiligsten Tagen des Abschieds. Ist dies nicht ein unerhörter Frevel, edler Immit?«
»Das ist es in der Tat, doch hörte ich auch von einem Kampf im Tal der Gräber, der auf deinen Befehl hin entbrannte.«
Maru war beeindruckt. Der Immit war gerade erst in der Stadt angekommen, und doch schien er bereits bestens informiert.
Numur lief wieder einmal rot an. »Ich habe nur versucht, meinen Bruder Iddin festzunehmen, wie das Gesetz es befiehlt, edler Immit. Ich wollte ihn deinem Urteil übergeben. Doch er flüchtete, und seine Krieger überfielen die meinen.«
»Ja, das war hinterhältig, dreizehn Männer gegen nur drei Ansai.« Die Miene des Immits war reglos.
Numur verfärbte sich von Purpurrot zu einem aschfahlen Weiß.
Bevor er jedoch aufbrausen konnte, fuhr Schaduk fort. »Doch jetzt bin ich eingetroffen, und ich bin der Wille Luban-Etellus, des Kaidhan. Mit dem Segen der Götter wird es mir hoffentlich gelingen, diesen unseligen Streit zu beenden. Diese Stadt hat Frieden verdient und dein Vater eine Beisetzung, die von beiden Söhnen begleitet wird.«
Während er diese Worte sprach, hatte Schaduk ihre Schritte die
Stufen zum Thron emporgelenkt. Maru verstand nichts von den Gebräuchen in einem Palast, aber sie konnte an den Mienen der Würdenträger ablesen, dass hier entscheidende Dinge vorgingen. Das Gesicht von Abeq Mahas war zu einer Maske versteinert, während der Hohepriester des Brond so aussah, als müsse er sich das Lachen verbeißen.
Auch Tasil grinste breit, und ohne dass Maru fragen musste, erklärte er ihr, was vor sich ging »Siehst du, der Immit hat sich mit dem Malk auf eine Stufe gestellt.«
Malk Numur hatte es jetzt offensichtlich auch bemerkt, denn er lief wieder rot an. Doch es war zu spät. Arm in Arm stand er mit dem Immit vor dem grauen Thron seines Vaters.
»Und nun«, wandte sich der Immit an den gedemütigten Prinzen, »erlaube mir, dass ich dir meine Begleitung vorstelle.« Er wartete die Erlaubnis gar nicht erst ab, sondern klatschte zweimal in die Hände.
Ein ganzer Schwarm von Menschen strömte in die Halle. Immit Schaduk hatte einen Teil seiner Familie mitgebracht, ein Umstand, der viele in der Halle zu überraschen schien. Zunächst stellte er dem Malk seinen Sohn Narsesch vor. Narsesch war ungefähr doppelt so groß und schwer wie sein Vater und wirkte gleichzeitig hundert Jahre jünger. Maru konnte kaum glauben, dass der eine der Sohn des anderen war. Sie schätzte ihn auf nicht ganz zwanzig Jahre und fand
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