Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
etwas von mir erwarten noch verlangen, Yaman Aryak von den Hakul!«
Aryak ertrug diesen unerwarteten Ausbruch mit unerschütterlicher Gelassenheit. »Ich glaube, Immit, dass es in unser beider Interesse liegt, diesen Mann zu finden. Ich verstehe deinen Groll. Doch glaube mir, er ist nichts gegen den Zorn, der über unsere Steppen reiten wird, wenn die Stämme erst einmal von diesem Frevel erfahren haben. Es ist möglich, dass noch mehr meines Volkes hierherkommen, um diesen Mann zu suchen – viel mehr. Ich ersuche dich um deine Hilfe, und ich erbitte sie im Namen der Hüter. Die, die nach mir kommen, werden vielleicht unter dem Banner Strydhs reiten.«
Diese unverhohlene Drohung sorgte für Bestürzung in der Hohen Kammer. Maru verstand das nur zu gut. Die Hakul waren die Feinde all ihrer Nachbarn, aber auch untereinander waren sie zerstritten. Es wäre nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sich ihre Stämme vereinigten.
Der Immit hatte sich wieder gefasst. Er setzte sich und lächelte, als sei nichts geschehen. »Es besteht kein Anlass für derlei Drohungen, Yaman. Wenn wir den Mann finden, werden wir ihn euch ausliefern. Dies tun wir aber, weil auch uns die Ruhe der Ahnen heilig ist, und nicht, weil irgendjemand es verlangt. Nun, da ein Händler dieser Stadt in dieses Verbrechen verwickelt war, biete ich dir eine Sühne an. Seine Waren liegen im Hafen. Ihr mögt davon nehmen, was und wie viel euch beliebt. Aber bedenke: Dies ist
Ausdruck unseres Wohlmeinens, nicht unserer Schwäche. Unsere Krieger sind zahlreich und die Mauern unserer Städte unüberwindlich, das sollten die Hakul niemals vergessen.«
Der Yaman zögerte einen Augenblick. »Ich nehme dies als Zeichen guten Willens und werde den Stämmen davon berichten«, antwortete er schließlich.
»Du bist ein weiser Mann, Yaman Aryak«, lobte der Immit.
Vielleicht erwartete er, dass der Hakul dieses Kompliment erwidern würde, doch dann enttäuschte dieser ihn. »Was aber jenen Urather angeht, so bleiben uns Zweifel. Er sollte unseren Weiden fernbleiben.«
»Er ist Urather, kein Akkesch. Es kümmert mich nicht, was ihr mit ihm tut, wenn er unser Reich verlassen hat«, antwortete Schaduk gelassen. »Fakyn wird euch unten am Hafen erwarten, in einer Stunde. Ich nehme an, ihr werdet Zeit brauchen, die Waren zum Lager zu schaffen. Es sind einige Sklaven darunter, die können euch helfen. Heute Nacht könnt ihr beruhigt im Schatten unserer Mauer schlafen. Die Hüter und meine Männer werden über euch wachen.«
»Ich gedenke, die Waren des Händlers morgen in deiner Stadt gegen Silber einzutauschen. Ich nehme an, dies ist möglich?«
»Ich bedaure, doch dies ist nicht möglich, Yaman. Es sind Tage der Trauer, und unser Markthaus ist geschlossen. Außerdem werde ich es als Zeichen deines guten Willens werten, wenn du und die deinen eure Zelte bei Sonnenaufgang abgebaut habt.«
»Ist das die Gastfreundschaft der Akkesch?«, fragte der Hakul erstaunt.
»Glaube mir, Yaman, sie ist groß – und sie ist umso größer, je kürzer sie in Anspruch genommen wird.«
»Auch davon werde ich unseren Stämmen berichten.«
»Ich bin sicher, es wird die Freundschaft unserer Völker vertiefen«, erwiderte Schaduk spöttisch.
Als die Hakul und ihr Begleitschutz die Halle verlassen hatten, beendete der Immit die Versammlung. Er bat Abeq Mahas und Malk Numur zu bleiben, ebenso seinen Sohn Narsesch sowie seinen obersten Verwalter, einen buckligen Mann namens Eqlu. Zu Marus Überraschung wurde auch Tasil aufgefordert, dem Treffen beizuwohnen, und da niemand sie fortschickte, blieb sie ebenfalls. Sklaven kamen und begannen aufzuräumen. Sie wuschen Atibs Blut vom Pflaster, legten neue Teppiche an dieser Stelle aus und schafften das Kohlebecken und den Kessel hinaus. Der Immit sah ihnen scheinbar interessiert zu und hielt dabei die ganze Zeit die Hand seiner Frau. Als nichts mehr darauf hindeutete, dass hier eben ein Mann gestorben war, zogen sich die Sklaven zurück.
Noch immer sagte der Immit nichts. Dann gab er seinem Verwalter ein Zeichen, das Maru zunächst nicht deuten konnte. Der Verwalter wiederum winkte einem Diener, der an einem der Eingänge stand. Der verbeugte sich und verschwand. Befehle wurden gerufen. Dann wurde offenbar über der Halle etwas verschoben – ein schwerer Stein, der über andere Steine schabte. Gleichzeitig wurde der Lichtkegel, der die ganze Zeit so unverrückbar auf dem Thron geruht hatte, immer schmaler. Maru begriff, dass das
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