Die Tochter des Magiers 01 - Die Diebin
dich prüfen, Händler, dich und deine Liebe zur Wahrheit«, sagte Schaduk lächelnd. Dann wandte er sich an einen der Verwalter. »Gibt es in diesem Haus Erdpech?«
»Das gibt es Herr, wir verwenden es für die Fugen unserer Mauern.«
»Bringt einen Kessel voll und macht es heiß.«
Atib wurde kalkweiß. »Heißes Erdpech? Herr, was hast du vor?«
»Im Alten Akkesch war es üblich, dieses Pech zur Bestrafung zu verwenden, wusstest du das nicht?«
»Ich bin nur ein armer kydhischer Händler, Herr. Ich weiß nichts von den alten Geschichten.«
»Bei einem Meineid, zum Beispiel, wurde der Mund des Schuldigen mit heißem Pech ausgegossen.«
»Herr, das ist entsetzlich!«
»Dieben hat man die Hand damit verbrannt, Betrügern das Gesicht.«
»Aber Herr, ich bin weder das eine noch das andere!«, beharrte Atib.
»Nun, Atib, du sagst, ein Reisender habe dir diesen wertvollen Dolch geschenkt. Wer kann das glauben? Also wärst du ein Lügner. Vielleicht hast du dem Fremden etwas verkauft, und er gab dir den Dolch dafür. Dann hättest du den Raik, deinen Herrn, bestohlen, denn die Ware gehört ihm, nicht dir. Also wärst du ein Dieb. Doch was könntest du ihm verkauft haben? Kupfer? Häute? Wohl kaum. Ich habe deine Liste gesehen. Es sind zwei Sklaven verloren gegangen, sagtest du. Ein Berglöwe, der zwei Menschen
reißt? Wieder eine Lüge. Vielleicht hat der Fremde sie dir abgekauft? Ist das möglich, Atib, Händler des Raik? Hast du die Liste gefälscht? Dann wärst du auch noch ein Betrüger. Ja, wenn ich recht darüber nachdenke, dann bist du sicher sowohl ein Lügner als auch ein Dieb und ein Betrüger. Ist es nicht so? Und bei deinen vielen Lügen und Verfehlungen, wie soll ich dir da glauben, dass der Mann stromaufwärts geritten ist?«
Maru schauderte. Es war offensichtlich, dass es dem Immit Vergnügen bereitete, den Händler zu quälen. Er schien sich an Atibs Angst geradezu zu laben.
»Das ist alles nicht wahr, Herr«, rief Atib verzweifelt. Tränen standen ihm in den Augen.
»Ich weiß, ich weiß. Nichts von dem, was du gesagt hast, war die Wahrheit«, erwiderte Schaduk mit eisigem Lächeln.
»Wo sollen wir das Pech bereiten, Herr?«, fragte einer der Verwalter.
»Bringt den Kessel herein und schafft Platz. Unsere Gäste sollen sehen, dass wir es ernst meinen.«
Zwei Speerträger trugen einen Bronzekessel in den Saal. Diener entfernten Teppiche. Andere brachten ein Kohlenbecken und einen Dreifuß, auf dem der Kessel erhitzt werden sollte. Ein Abeq aus dem Gefolge des Immit, an seinem dunkelroten Gürtel als Priester des Brond zu erkennen, übernahm die Aufgabe, die Flamme zu entfachen. Er war ein pausbäckiger junger Mann, der eine schiere Ewigkeit in den Falten seines Gewandes nach dem Feuerstein suchte. Maru konnte nicht hinsehen.
Auch für Atib war das zu viel. Er brach zusammen, sank auf die Knie. »Ja, ja, Herr! Ich habe gelogen. Gnade! Gnade!«
»Ist das so?«, fragte Immit Schaduk wenig überrascht.
Der Priester hatte seinen Feuerstein gefunden. Er sah zum Immit, aber der gab kein Zeichen aufzuhören. Der Abeq schlug Funken und entzündete etwas trockenes Schilf.
»Aufhören! Aufhören! Ich gestehe doch alles!«
Das Schilf flammte auf und der Priester warf es auf die Kohlen. Dann kniete er gemächlich nieder und blies in die Flamme.
»Er hat mir den Dolch nicht geschenkt, ich habe ihm etwas verkauft. Und er ritt den Dhanis auch nicht hinauf, sondern hinab. Hierher! Ich flehe dich an! Gnade, Herr!«
Immit Schaduk lehnte sich zurück. Er sah sehr zufrieden aus. Aber er gab dem Priester immer noch kein Zeichen aufzuhören. Die ersten Kohlen fingen an zu glühen. »Und wo ist dieser Mann jetzt, Atib?«
Das war nun die alles entscheidende Frage. Maru hielt den Atem an. Sie erkannte, dass Atib ein gebrochener Mann war, und wagte nicht, auf noch eine Lüge zu hoffen.
Der Händler schluchzte und zeigte mit zitternder Hand auf Tasil. »Er steht dort oben, Herr.«
Aus!
Es wurde ganz still im Saal. Nur das Knistern der Kohlen war zu hören. Die Hakul folgten der Richtung des ausgestreckten Arms, so wie der ganze Saal. Tasil stand unweit des Thrones. Maru hatte erwartet, dass sich die Hakul auf ihn stürzen würden, wie sie es bei Atib getan hatten, aber nichts dergleichen geschah. Tasil war überrascht. Wirklich, hätte Maru es nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, dass er bei dieser Anschuldigung aus allen Wolken fiel. Seine Verblüffung wirkte vollkommen echt, vielleicht war es das,
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