Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
wirklich sehen können, auf was sie da im Dunkeln schossen.
Der Pfeilregen ließ nach. Sie waren weit genug auf dem Strom, um Deckung in der Dunkelheit zu finden. Maru blickte zurück. Am Ufer tanzten Fackeln, und vor dem Schein der brennenden Hütte sahen sie Bogenschützen, die blindlings in die Nacht schossen.
Aber der Fluss vor ihnen lag in Dunkelheit. Vielleicht konnten sie entkommen.
»Biredh, woher wusstest du, dass wir kommen?«, fragte Maru keuchend.
»Eine gute Frage«, warf Tasil ein.
Biredh ruderte weiter. »Es lag etwas in der Luft. Habt ihr es nicht bemerkt? Auch Dhanis murmelte etwas von Gefahr. Blind zu sein, Maru Nehis, ist in Nächten wie diesen ein Vorteil. Ich hörte, wie sie eure Hütte einkreisten, und ich wusste, dass der einzige Weg für euch der über das Wasser sein würde.«
»Warum hast du uns denn nicht gewarnt?«, fragte Maru.
»Dafür war es zu spät, Maru Nehis.«
»Und wenn wir es nicht geschafft hätten?«, wollte Maru wissen.
»Würde ich immer noch dort sitzen und auf euch warten, nehme ich an«, entgegnete Biredh heiter, »aber wollt ihr eigentlich die ganze Arbeit mir überlassen? Greift euch die Paddel, und rudert, bevor eure Feinde auf die Idee kommen, in die Boote im Süden zu steigen.«
Maru blickte zurück. Ihre Hütte stand in lodernden Flammen. Vor ihnen auf dem Fluss zeichneten sich schwarz die Umrisse der beiden anderen Boote ab. Donner grollte, und ein Regenpfeifer sang. Er begrüßte die anbrechende Morgendämmerung.
DRITTER TAG
Isberfenn
Im zehnten Jahr der Herrschaft Etellu-Kaidhans erschienen die Iaunier mit vielen Schiffen vor seiner Küste, um die große Stadt Ulbai zu plündern. Etellu aber bat Fahs um Hilfe, und der Herr der Winde erträumte einen Sturm, der die Schiffe versenkte und viele Männer tötete. Die übrigen irrten durch die Sümpfe, von den Kriegern Etellus gejagt. Viele starben, weil sie vom schwarzen Wasser des Isberfenns tranken, andere gingen an Hunger und Durst zu Grunde. Die letzten aber töteten einander im Wahn gegenseitig.
Etellu-Kaidhan, Bericht seiner Herrschaft
Sie überquerten in ihren drei Booten eilig den Fluss und tasteten sich durch die Dunkelheit am breiten Schilfsaum entlang nach Süden. Vom Dorf schallte ein dünnes Hornsignal über den Strom.
»Was bedeutet das, Onkel?«
»Sie rufen die zurück, die Umati jagen, Kröte«, sagte Tasil. Dann rief er nach vorne: »Wir müssen weg vom offenen Fluss. Die Suchtrupps, die Awathani!«
»Sag ihren Namen nicht, Onkel«, bat Maru, »sie kann es hören und kommt dann.«
»Unsinn«, brummte Tasil.
Vylkas, der mit Meniotaibor im ersten Boot saß, hatte den Ruf gehört. Er erspähte einen breiten Einschnitt im Schilf und lenkte
sein Boot hinein. Sie folgten ihm. Maru warf einen letzten Blick zurück. Die brennende Hütte erhellte die Nacht über dem Dorf. Dann schloss sich das Schilf hinter ihr, und der Schein des Feuers vermischte sich mit dem Licht des neuen Tages.
Sie hatten Glück: Der Kanal, den Vylkas gewählt hatte, führte sie tief in den Sumpf hinein. Er war breit und frei von Suwagras, so dass sie rasch vorankamen. Es wurde heller, und der Regen wurde schwächer, bis er schließlich ganz aufhörte. Regenpfeifer begrüßten den Morgen. Sie ruderten schweigend und schnell, immer mit einem Blick über die Schulter, doch es kamen keine Verfolger. Dann erreichten sie eine offene Stelle, von der mehrere Wasserarme abzweigten. Vylkas und Meniotaibor verlangsamten die Fahrt und ließen die Nachfolgenden längsseits kommen. Maru blickte in erschöpfte Gesichter. Ulat, der mit Bolox im zweiten Boot saß, bat den Farwier, ihm aus der Rüstung zu helfen, die einen Riss und eine mächtige Beule über der Brust hatte. »Ich glaube, ich habe mir eine Rippe gebrochen«, stöhnte er. Bolox löste die Riemen des Panzers.
»Wo ist denn Arbi?«, fragte Maru erschrocken.
»Er hat es wohl nicht geschafft«, sagte Tasil schlicht, als keiner der anderen etwas sagen wollte.
»Er ist gefallen, als er uns den Rücken deckte. Er ist ein Held«, stöhnte Ulat mit gepresster Stimme.
»Es hätte jeden von uns erwischen können«, meinte Meniotaibor düster und nahm seinen schwarzen Helm ab. Sein ledernes Hemd war an mehreren Stellen zerrissen, und an seiner Schulter klebte getrocknetes Blut.
»Ich werde ein Zeichen für ihn in einen Baum schnitzen. So ehren wir unsere Helden im Waldland«, erklärte Bolox. »Noch Jahrhunderte wird man seiner gedenken.«
»Dazu bräuchten wir
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