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Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin

Titel: Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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wenigen Worten in die Ecke getrieben. Maru konnte die Blicke der Dorfbewohner sehen. Das Wort »Blutschande« hing schwer über der Versammlung. Tasil gab klein bei: »Nun, sie ist meine Nichte. Sie begleitet mich auf meinen Reisen, weil sie sonst keinerlei Familie hat. Und wenn du es unbedingt wissen musst, dann sage ich dir, dass ich nicht vorhabe, sie in Ulbai zu verheiraten. Und auch anderswo nicht!« Dann hatte Tasil den Schlag verdaut und war selbst wieder bereit auszuteilen: »Aber wenn ich sie je einem Mann gebe, ehrwürdiger Taiwe, dann sicher nicht dir, denn du bist wirklich viel zu alt für sie.«
    Die Spannung im Saal löste sich in Gelächter. Für den Augenblick
war die ungeheure Unterstellung Taiwes vergessen. Doch nicht alle im Saal lachten. Maru sah eine Frau, die eindringlich auf den Edaling einflüsterte. Hana schien unwillig zuzuhören, aber dann errötete er, als sei er bei irgendetwas ertappt worden. Für einen kurzen Augenblick starrte die Frau Maru an. Ihr Blick war stechend, und Maru sah einen Zug um die Mundwinkel, der nach Verbitterung aussah. Dann verschwand ihr Gesicht wieder in den Schatten, aus denen es eben aufgetaucht war. Sie sah jemandem ähnlich, aber Maru kam nicht darauf, wem.
    Der Edaling hob die Hand, um das Gelächter zu beenden. Dann ergriff er das Wort. »Es ist wirklich seltsam, Taiwe, dass du unserem Gast diese Frage stellst. Es ist nicht von Bedeutung, ob dieses Mädchen einem Mann versprochen ist oder nicht.«
    Taiwe lehnte sich auf seinem Schemel zurück, wie um Abstand von Hana zu gewinnen, und sagte kalt: »Dass dir – und deiner Frau – diese Sache nicht wichtig ist, ist mir klar. Doch noch brauche ich deine Erlaubnis nicht, um hier Fragen zu stellen.«
    »So habe ich das nicht gemeint«, sagte Hana, was einigerma ßen hilflos klang. Maru verstand allmählich, warum Hiri so abfällig über den Edaling gesprochen hatte.
    Es saß noch ein dritter Ältester am Ehrentisch. Er ergriff jetzt das Wort und sagte mit heiserer Stimme: »Gibt es keine Geschichten mehr? Haben wir nicht einen Erzähler hier?«
    Im Samnath wurde vereinzelt gelacht, und Maru hörte, wie jemand zu seinem Nachbarn raunte: »Ausgerechnet Wifis will noch eine Geschichte hören? Der ist doch so taub wie ein toter Wasserbaum.«
    Skeda nickte. »Wifis hat Recht! Wollen wir den Abend wirklich mit fruchtlosen Streitereien verbringen – oder doch lieber noch eine Geschichte hören? Wir haben neue Gäste. Schafft ihnen Platz, und reicht ihnen Brot, Salz und einen Krug Wasser. Wir haben einen Erzähler unter uns, der sicher noch die eine oder
andere Sage weiß, um uns die trüben Gedanken zu vertreiben! Tasil und Maru aus Urath, ihr seid willkommen. Der Segen unseres Dorfes sei mit euch!«
    Ein Junge führte sie durch den Saal zur Gruppe der Fremden. Als sie an Biredh vorbeigingen, nickte der ihnen schweigend zu. Sein Gesicht mit den leeren Augenhöhlen blieb dabei ausdruckslos. Wenn er sich freute, sie zu treffen, ließ er es sich nicht anmerken. Der Farwier bedeutete den anderen, enger zusammenzurücken, um auf der langen Holzbank Platz zu schaffen, und er nötigte Maru, sich neben ihn zu setzen. Maru war froh, dass der blinde Erzähler jetzt wieder das Wort ergriff. Es wäre sehr unhöflich gewesen, sich während seiner Geschichte zu unterhalten. So gewann sie Zeit, sich etwas zu überlegen, denn der Farwier schien beinahe umzukommen vor Neugier.
     
    Biredh erzählte eine Geschichte vom beliebten Helden Tiuf. Das waren meist harmlose, hintergründige Geschichten, bei denen es immer etwas zu lachen gab. Dieses Mal wurde der Held von einem reichen Mann gerufen, dem ein riesiger Eber die Felder verwüstete. Der Reiche besaß jedoch nicht nur viele fruchtbare Felder, sondern hatte auch zwei liebreizende Töchter, die sich, wie es stets geschah, unsterblich in Tiuf verliebten. Und so kam es, dass sich der strahlende Held lieber abwechselnd mit beiden Töchtern vergnügte, anstatt auf die Jagd zu gehen. Es war eine Geschichte voller Zweideutigkeiten, die die Kinder nicht verstanden. Sie wunderten sich nur, warum ihre Eltern so schallend lachten. Und auch Maru wunderte sich. Denn sie sah, dass diesem Gelächter die Heiterkeit fehlte. Irgendeine dunkle Wolke schien auf dem Samnath zu lasten, und die Menschen versuchten beinahe verzweifelt, sich ablenken zu lassen. Biredh gab sein Bestes. Er ließ den Held strahlen, und die Töchter gurren. Alles schien leicht und fröhlich. Schließlich wollte es das Schicksal,

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