Die Tochter des Magiers 02 - Die Gefährtin
die Siedlung zuraste. Maru konnte den Blick nicht abwenden. Das Gejohle am Wasser hatte aufgehört. Es war beinahe still. Dann hörten sie das Brausen, das mit der Welle auf sie zukam. Tasil löste sich als Erster aus der Erstarrung. »Zurück, und nach oben«, rief er. Er packte Maru am Arm und zog sie mit sich fort. Maru sah noch, wie unten zwischen den Hütten verzweifelte Krieger auftauchten, ihre Waffen wegwarfen und um ihr Leben rannten, dann stolperte sie hinter Tasil den Hügel hinauf. Jemand rannte sie um, es war Ulat, der nicht stehen blieb. Der Dakyl half ihr gemeinsam mit Tasil auf, schleppte sie hinauf bis fast zum Samnath. Dann brach die Welle donnernd über die Insel herein. Ihr Anbranden ließ den Boden erzittern. Allein diese Erschütterung reichte, um sie alle von den Beinen zu holen. Maru drehte sich schreckerfüllt um. Hinter ihr schossen Wassermassen zwischen den Pfahlbauten hindurch, rissen Hütten und Ställe ein, schwemmten Boote, Echsen, Hütten und Menschen vor sich her. Hilfeschreie erfüllten die Luft, verzweifelte Rufe von Männern, Frauen und Kindern, übertönt noch vom Brausen des Wassers und dem Krachen zusammenbrechender Hütten. Das schwarze Wasser hatte sich in eine weiß kochende Gischt verwandelt. Leiber von Flussechsen und Kriegern wirbelten umher. Die Woge stürmte den Hügel hinauf, verlor an Geschwindigkeit und verharrte, nur wenige Schritte von Maru und den anderen entfernt. Und dann zog sie sich zurück, ebenso plötzlich und schnell, wie sie gekommen war, riss Menschen, Tiere und Hütten mit sich, hinaus auf den Strom. Maru saß wie
betäubt auf dem schlammigen Boden und betrachtete mit ungläubigem Staunen die Zerstörung. Hütten zerfielen, gekenterte Boote trieben davon, und dazwischen klammerten sich Menschen irgendwo fest oder suchten verzweifelt nach Halt und Schutz. Ziegen und Schweine strampelten durchs Wasser, und dann waren da die Echsen, die ohne Sinn und Verstand umherirrten oder auf die Insel flüchteten. Eine Weile dauerte das wirbelnde Chaos an, und dann war es vorbei. Das Wasser hatte sich in den Fluss zurückgezogen, die Wogen glätteten sich, und der Schwarze Dhanis floss wieder so träge wie zuvor. Wäre der Strom nicht voller Trümmer und verzweifelter Menschen gewesen, hätte man glauben können, es sei gar nichts geschehen. Stille breitete sich über der Insel aus.
Dann erschien plötzlich Fakyn zwischen den Söldnern. Er brüllte: »Wer seinen Speer noch hat, kümmere sich um die Echsen! Die Fischer sollen in die Boote! Wer schwimmen kann, soll denen helfen, die es nicht können. Beeilung, Beeilung, viele gute Männer sind in Not!«
Maru saß immer noch im Schlamm. Sie hatte keinen Speer, und sie konnte nicht schwimmen. Sie fühlte sich nutzlos und war starr vor Schreck. Auf dem Hügel tauchten jetzt viele Menschen auf. Es waren die Dorfbewohner und Krieger von der Nordseite, die nun angesichts der furchtbaren Zerstörung entsetzt stehen blieben. Dann kamen noch mehr Männer gelaufen. Es schienen jene zu sein, die zum Arbeiten an Land gewesen waren. Vielleicht waren sie schon auf dem Rückweg gewesen, als das Unglück geschah. Sie ließen ihre Schilfgarben und Werkzeuge fallen und rannten den Hügel hinab. Maru entdeckte Rema unter ihnen. Von den Söldnern fasste sich Bolox als Erster, er schlug seine Axt in den Boden, lief zum Fluss hinunter und warf sich in die Fluten. Er war ein geschickter Schwimmer. Auch Ulat kam auf die Beine. »Bei den Hütern«, murmelte er, »bei den Hütern.«
»Was, um Alwas willen, war das?«, fragte Meniotaibor. Er war leichenblass im Gesicht.
»Die große Schlange«, sagte Maru leise.
Der Iaunier hatte es trotzdem gehört. »Die Awathani? Bist du sicher, Mädchen?«
»Sie war es«, sagte der Dakyl. »Weit draußen, unsichtbar, treibt die Echsen an Land. Ein schlimmer Feind.«
»Das kannst du laut sagen«, flüsterte Meniotaibor. »Haben wir wirklich vor, diese Bestie zu töten, Freunde?«
»Diese nicht, aber andere«, sagte Vylkas. »Komm, Flussechsen sind im Dorf.«
Meniotaibor kam auf die Knie. »Du hast Recht, mein Freund. Nimm deine Wurfspeere, ich habe meine Schwerter. Lass uns Echsen töten!«
»Du hast es gehört, Arbi, auf in die Schlacht«, rief der Akkesch. Er half dem jungen Kydhier auf die Beine und schlug sich auf die Brust. »Wir sind Krieger, verdammt sollen wir sein!« Gemeinsam liefen sie los, aber sie sahen aus, als fühlten sie sich ziemlich unsicher auf den Beinen. Maru sah Bolox, der
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