Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Mahas bereitet etwas vor. Er weiht viele Priester für den neuen Gott. Es sind Krieger, Verwalter, sogar Schreiber darunter. Der alte Fuchs hat schon begonnen, sie in alle Teile des Reiches zu entsenden. Sie werden seine Herrschaft sichern, wenn Numur einmal tot ist. Doch wer kann Hand an den Sohn eines Gottes legen? Doch nur
ein Fremder wie ich, Kröte. Ein Fremder, der diese Tat vermutlich mit dem Leben bezahlen würde. Seine Nichte übrigens auch.« Maru schluckte. Sie hatte nicht weiter gedacht als bis zu diesem Abend, aber Tasil schon. Er war gut darin, die Gedanken seiner Feinde zu erraten, und ihnen auch deshalb meist einen Schritt voraus. Maru fiel ein, dass auch Velne dunkle Andeutungen über die Zukunft Numurs gemacht hatte. Wie weit waren die Maghai in Mahas’ Pläne eingeweiht? Tasils Blick ging ins Leere, als er fortfuhr: »Und Immit Uschparu? Umati und Luban ist er schon losgeworden. Malk Gerru und die alte Danami werden folgen. Schon bald wird er sich selbst zum Kaidhan ernennen, auch wenn er nicht mehr als diese Stadt beherrschen wird. Ist es nicht günstig für ihn, dass man jetzt eine Kaschakku seiner bösen Taten beschuldigt? Ich habe die Geschichten gehört von dem Weib, das Luban verführt, Umati behext und die Oberstadt in Brand gesteckt hat. Die Böse Frau, die alte Kaschakku, die in der Hülle eines Mädchens erscheint und die mit üblen Kräutern den Malk erkranken ließ. Sei froh, dass du nicht am Tor bist. Hätte dich dort einer erkannt – es wäre dein Ende gewesen.«
»Aber wäre es für den Immit nicht gefährlich, wenn man mich verhaftet? Ich könnte doch vieles verraten«, widersprach Maru leise.
Tasil lachte bitter. »Wie einfältig du manchmal bist, Kröte. Uschparu würde dich nicht verhaften, sondern einfach der wütenden Menge überlassen. Und wem wolltest du dann noch etwas erklären? Ich glaube wirklich nicht, dass du lange genug leben würdest, um noch einen Richter zu sehen. Und ich vermutlich auch nicht.«
Tasil hatte recht, das musste sich Maru eingestehen: Sie war verstrickt in ein finsteres Netz von Verschwörungen, das an beiden Ufern des Flusses gesponnen wurde. Und da waren nicht nur der Immit und der Abeq, da war noch die Bruderschaft der Maghai
und, am schlimmsten und unberechenbarsten von allen, Utukku, der vorhatte, die Akkesch auszulöschen. Tasils Blick schweifte ins Leere. Maru begriff, dass er ihr das alles nicht erzählte, um sie einzuweihen, sondern um sich selbst noch einmal die Lage zu vergegenwärtigen. Er hatte einen Plan, aber er war wohl selbst noch nicht sicher, ob er ihn durchführen konnte. Er fuhr leise fort: »Tagor Xonaibor und seine Iaunier dürfen wir nicht außer Acht lassen. Du kennst sie, sie sind zu allem fähig, außer vielleicht zu teilen. Der Tagor glaubt, ich arbeite für ihn, aber wenn du sein Schiff siehst, solltest du dafür sorgen, dass wir schneller sind als er.«
»Wir fahren auf den Fluss?«
»Natürlich. Die Awathani hat noch kein Boot angegriffen, wenn du an Bord warst. Das ist ein Vorteil, den wir nutzen müssen.«
»Aber du weißt doch gar nicht, ob sie erscheint. Und du hast gesagt, du seist nicht sicher, was die Erwachte und mich betrifft.«
Tasils nachdenkliche Miene erstarrte für einen Augenblick. Dann sagte er sehr langsam: »Du bist Fleisch von ihrem Fleisch. Das weiß ich. Aber du hast recht, wir können uns nicht auf sie verlassen. Und deshalb müssen wir schnell sein.«
»Also willst du Tagor Xonaibor hintergehen?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Ich muss, Maru, denn er traut mir ebenso wenig wie ich ihm. Er hat viele Männer und Schwerter und einen unstillbaren Hunger nach Reichtum.«
»Aber was wird Hardis dazu sagen?«
»Das werden wir dann sehen, Kröte, das werden wir sehen. Doch jetzt komm. Ich will diesen Friedensvertrag nicht verpassen.«
»Du willst also den Tribut, oder?«, fragte Maru unvermittelt. Tasil war ungewohnt mitteilsam, das musste sie ausnutzen.
Der Urather blieb wieder stehen, lächelte auf die ihm eigene, wölfische Weise und sagte: »Lass dich überraschen, Kröte.«
Dieses grimmige Lächeln beantwortete Marus Frage endgültig. Er wollte also wirklich den Schatz rauben. Aber wie? Und vor allem – wann?
Als sie den Hafen erreichten, sahen sie, dass der Fisch schon zum Auslaufen bereit war. Hardis stand auf der Kaimauer und schien auf sie zu warten. Der starke Gybad saß neben ihm und ließ die Beine über dem Wasser baumeln, und der schmächtige Agir war
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