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Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte

Titel: Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Der Zug musste das Tor gleich erreicht haben. Maru hörte, wie die schweren Bronzetore aufschwangen. Tasils aufreizendes Grinsen blieb, aber Maru vermeinte, unter dieser zur Schau gestellten guten Laune große Anspannung zu spüren. Natürlich, der Schatz. Tasil pflegte zu sagen, dass in Zeiten großer Gefahren auch immer gute Gelegenheiten zu finden waren. Maru wurde jetzt erst bewusst, dass das auch umgekehrt galt: Je höher der Gewinn, desto größer das Wagnis. Und nur wenige Schritte weiter verließ gerade ein ganzer Berg aus Gold, Bernstein, Silber und Eisen die Mauern der Stadt. Tasil würde dafür alles wagen.
    Er spähte um die Ecke. »Sie sind am Tor. Also gut, lass uns nicht länger hier herumstehen, sondern komm mit. Wir haben zu tun.«
    Er hielt sie am Arm fest und zog sie, zu ihrer Überraschung, nicht zum Tor, sondern in die andere Richtung.
    »Wo gehen wir denn hin, Onkel?«, fragte sie.
    »Zum Hafen. Hardis dürfte bereits auf uns warten.«
    Hardis? Das hieß, auch Agir würde nicht weit sein. Maru sträubte sich gegen den festen Griff Tasils. »Ich kann nicht in den Hafen,
Onkel«, sagte sie und schalt sich selbst, weil sie es nicht schaffte, sich das Wort »Onkel« abzugewöhnen.
    »Bist du plötzlich wasserscheu geworden, Kröte?«
    »Nein, aber ich hatte … Schwierigkeiten«, erwiderte sie vorsichtig.
    Tasil blieb stehen und musterte sie durchdringend. »Welcher Art?«, fragte er.
    Maru berichtete kurz, wie Agir sie verfolgt und verleumdet hatte und wie sie vor der wütenden Menge hatte flüchten müssen. Den Zwischenfall mit Agir vor dem Haus des Richters erwähnte sie nicht, und auch darüber, mit wem und auf welchen Wegen sie entkommen war, schwieg sie sich aus.
    »Also deshalb dieser alberne Mantel. Du bist die Kaschakku, von der alle reden.«
    »Ich bin keine Kaschakku«, verteidigte sich Maru.
    »Ich habe das Gefühl, dass du mir gerade ein oder zwei Dinge verschweigst, Kröte, aber das hat Zeit. Wir werden im Hafen erwartet.«
    »Aber Agir wird dort sein!«
    Tasil blickte ihr fest in die Augen. »Ich werde mit diesem Kydhier ein ernstes Wort reden, Maru. Glaube mir, danach wird er dich nie wieder verleumden. Und mich wird er auch nie wieder verraten, weder an Tagor Xonaibor noch an sonst jemanden, das schwöre ich dir, bei Fahs.«
    Maru schluckte. Tasil wirkte finster entschlossen. Wenn Agir ihm dumm kam, würde der schmächtige Kydhier diese Aussprache vielleicht nicht überleben. Sie eilten durch die Stadt. Es ging schon auf den Abend zu. Abseits der großen Straßen waren kaum Menschen zu sehen. Die meisten drängten sich wohl am Dhanischen Tor. Maru fragte sich, ob die Ulbaitai die Stadt verlassen würden, um dem Friedensschluss am Strom beizuwohnen. Sie hoffte, dass der Immit das nicht zulassen würde. Die ganze Stadt fieberte dem
Frieden entgegen, aber wenn dort irgendetwas schiefging, wäre es besser, es wäre niemand vor den Mauern. Die Serkesch hatten jetzt eine Brücke über den Fluss. Wenn sie es nicht ernst meinten mit dem Frieden oder wenn irgendetwas – oder jemand – den Abschluss des Vertrages verhinderte, dann war die Stadt in gro ßer Gefahr. Unbewaffnete Ulbaitai wären wie Schafe unter Wölfen, wenn Numur den Angriff befehlen würde. Oder lag das in der Hand von Abeq Mahas? Wenn eingetreten war, was Klias angekündigt hatte, war Numur nur noch ein gefügiges Werkzeug in der Hand des Priesters. Aber war das wirklich besser?
    »Onkel«, fragte Maru, als sie nebeneinander durch die Gassen trabten, »was hast du vor?«
    Sie rechnete nicht mit einer ernsthaften Antwort, aber Tasil blieb stehen und packte sie am Arm. »Was ich vorhabe, Kröte? Eine kühne Tat. Dein Freund Biredh wird später Geschichten darüber erzählen können – wenn es gutgeht. Das ist aber noch lange nicht gesagt, denn es sind viele Männer an diesem Spiel beteiligt, jeder strebt ein Ziel an, und jeder glaubt mich an seiner Seite.« Er sagte das ohne Spott. Er wirkte nachdenklich und schien mehr zu sich als zu Maru zu sprechen. »Mahas will Numur beherrschen, und nach dem, was ich gesehen habe, ist ihm das mit Hilfe der fremden Zauberer schon gelungen. Du kennst den alten Priester, misstrauisch und geheimniskrämerisch ist er. Und ich denke, er hat dir und mir auch noch einen Platz zugedacht in seinem Plan, später, wenn der Frieden erst einmal besiegelt ist. Selbst wenn diese Zauberer Numurs Geist heilen können, glaube ich nicht, dass sich der Alldhan lange an seiner Herrschaft erfreuen wird.

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