Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
scharf zurück.
»Hüte deine Zunge, Weib, und verdirb mir meine Nichte nicht.«
Wika lachte heiser. »Das kann ich gar nicht, und du, Urather, vermagst es auch nicht! Und entschuldige uns nun, wir haben etwas zu besprechen.«
»Nichts da. Sie ist meine Nichte, und sie soll mir nicht von der Seite weichen. Schon gar nicht mit einer Sumpfhexe wie dir, altes Weib.«
Wika sah Tasil kurz, aber fest in die Augen. »Sie wird gehen, wohin sie will, Urather, wenn nicht jetzt, dann später.« Und damit drehte sie sich um und stapfte davon.
Maru sah ihr nach. Aus – sie hatte die Möglichkeit verpasst, zu Velne zu gehen. Was sollte sie jetzt nur tun? Aus dem Zelt des Alldhans trat eine Gruppe von Männern. Der Hüne Fakyn schritt vorneweg, die Leibwächter mit ihren schweren Doppeläxten folgten, dann erschien Numur selbst. Ein Krieger musste ihn stützen. Er war leichenblass. Abeq Mahas war dicht hinter ihm, und dahinter wiederum folgten Klias und Belk. Wika stapfte mitten durch die Gruppe hindurch. Die Krieger wichen überrascht vor ihr zur Seite.
»Verdammtes Weib«, brummte Tasil. Er packte Maru grob am Arm und wollte mit ihr davon. Da rief eine Stimme: »Urather, auf ein Wort!«
Tasil blieb stehen. Fakyn schritt langsam heran. Der Kydhier überragte Tasil um mehr als eine Haupteslänge und nutzte das, um abschätzig auf ihn herabzublicken, dann sagte er: »Heute gilt das Gesetz des Waffenstillstandes, aber schon morgen ist ein neuer Tag.«
»Aber ab morgen ist doch Friede, edler Schab«, spottete Tasil.
»Ein Friede, der für das Reich gilt, für Akkesch und Kydhier, für Ulbaitai und Serkesch – aber nicht für Urather. Ich hoffe, wir sehen uns dann wieder, Tasil aus Urath – oder wird dich die Angst heute Nacht davontreiben, so wie der Wind ein Blatt davonträgt?«
»Angst, Kydhier? Weder vor dir noch vor dem Wind, den du hier machst. Meine Klinge und ich werden dir jederzeit Rede und Antwort stehen.«
»Ich kann es kaum erwarten. Und nun geh mir aus den Augen, bevor ich vergesse, dass die Waffen heute schweigen müssen.«
»Mit deiner gütigen Erlaubnis, edler Schab«, antwortete Tasil spöttisch grinsend. Dann drehte er sich um und zog Maru am Arm hinter sich her.
»Er scheint dich wirklich zu hassen, Onkel«, stellte Maru fest.
»Und von all meinen Feinden ist er mir der liebste«, antwortete Tasil, und da war kein Spott mehr in seiner Stimme. »Und jetzt beeil dich, Kröte. Hör nur, sie blasen die Hörner. Es geht los.«
Wirklich, einer der Kriegerpriester blies in ein langes Horn, und ein einzelner, tiefer Ton klang durch die Abendluft. Von der anderen Seite des Flusses antwortete ein ebenso dunkler Hörnerklang. Tasil zog Maru hinter sich her. Sie gab ihren Widerstand auf. Er hatte recht, es begann, die Hörner gaben das Signal. Sehr bald würden sich Abeq Mahas und Immit Uschparu auf dem Damm treffen, um den Frieden zu besiegeln. Und dann würde Tasil zuschlagen. Maru bemerkte seine Anspannung. Er hatte schon oft verwegene Pläne ausgeheckt, doch dieses Mal war etwas anders. Maru las eine finstere Entschlossenheit in seinem Blick. Es sah so aus, als würde er dieses Mal noch mehr wagen als sonst. Ja, er würde sich den Schatz der Akkesch unter den Nagel reißen oder bei dem Versuch umkommen. Das war es, was sie in seinem Gesicht
las. Und erst, als sie schon wieder fast an der Landzunge waren, wurde Maru klar, dass er nicht nur sein, sondern auch ihr Leben und das von Hardis und seinen Leuten dafür aufs Spiel setzte. Plötzlich war sie unsagbar wütend auf ihn. Sie blieb stehen.
»Was ist denn jetzt wieder los, Kröte?«
Maru blickte ihn schweigend an. Er hatte vor, aus der Mitte zweier verfeindeter Heere einen Schatz zu stehlen, belog Herrscher, Hohepriester und auch seine Waffengefährten, betrog selbst sie mit einem Zauber – und dann stellte er diese Frage? Sie wäre ihm am liebsten an die Kehle gesprungen. Aber in einem anderen, kälteren Bereich ihres Geistes war ihr ebenso klar, dass Zorn hier ein schlechter Ratgeber war. Tasil war ein Meister darin, andere zu reizen und dann ihre Wut gegen sie zu wenden. Und dann tat sich plötzlich ein neuer Weg für sie auf. Sie erkannte, dass sie in diesem Gewirr von Lügen, Halbwahrheiten und Täuschungen ihr Ziel am ehesten mit der Wahrheit erreichen konnte. »Du hast etwas vergessen«, erklärte sie ganz ruhig.
Sie waren bereits am Rand des Schilfgürtels. Die Landzunge lag vor ihnen. Ein paar Krieger der Serkesch hatten sie schon kommen
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