Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Tochar, keuchend vor Anstrengung, im Geäst der
Weide. Oben kicherte Wika und spottete über die Trägheit alter Knochen. Maru blieb enttäuscht zurück. Sie hatte auf Hilfe gehofft, aber Velne hielt sich heraus und gefiel sich in geheimnisvollen Andeutungen.
Als Maru zurücklief, war Abeq Mahas immer noch damit beschäftigt, die heiligen Riten für Gott Utu abzuhalten. Seine Kriegerpriester besprengten die Statue mit Wasser aus dem Fluss, um sie vom Staub der Vergangenheit zu reinigen. Maru dachte fieberhaft nach. Sie hatte fast nichts erreicht. Immerhin konnte sie Tasil sagen, dass Klias den Frieden nur verhindern würde, wenn Mahas das wollte. Damit konnte sie vielleicht auch sein Vertrauen gewinnen und würde – wieder nur vielleicht – doch noch rechtzeitig erfahren, wie und wann er den großen Schatz in seinen Besitz bringen wollte. Und sie wusste immerhin, wie sie den Bann brechen konnte, den er über sie … ihr stockte der Atem: Natürlich – wenn sie Tasils Zauber mit Willensstärke brechen konnte – dann galt das sicher auch für jeden anderen Bann! Auch für den, den der Daimon über sie verhängt hatte! Sie biss sich vor Aufregung auf die Lippen. War es das, was ihr Velne eigentlich hatte sagen wollen? Es war so einfach! Oder doch nicht? Das Gefühl der Erleichterung währte nicht einmal eine Sekunde. Velne hatte bei den Hügelgräbern beinahe mit Bewunderung gesagt, dass der Bann des Daimons sehr stark war. Sollte sie etwa stärker sein? Wika hatte Andeutungen in diese Richtung gemacht. Andeutungen! Warum konnten die beiden nicht einfach sagen, was sie wussten oder glaubten? Als sie das dunkle Schilf durcheilte, schlich sich plötzlich noch ein weiterer Gedanke in ihren Kopf: Tasil würde sie, auf welchem Weg auch immer, in große Gefahr bringen. Es bestand die Möglichkeit, dass sie dabei sterben würde. Dann würde ihr der Kampf mit Utukku erspart bleiben. Sie hätte beinahe laut gelacht, weil sie das auf eine sehr seltsame Weise tröstlich fand. Sie schüttelte den Kopf. Das
war nur die Müdigkeit. Sie hatte sehr lange Zeit nur sehr wenig geschlafen. Sie durfte jetzt nicht die Nerven verlieren.
»Schon zurück?«, begrüßte sie Tasil, als sie den Fisch wieder erreicht hatte. Auf der Landzunge brannten Wachfeuer, aber ihr Schein tauchte den Kahn der Schmuggler nur in ungewisses Zwielicht. Es lagen drei plumpe Schilfkähne auf der anderen Seite, und die Krieger schickten sich an, sie zu besteigen. Sehr eilig schienen sie es damit nicht zu haben. Maru schloss daraus, dass es wohl noch dauern würde, bis sie auf dem Fluss gebraucht würden. Die Männer sahen aber auch nicht so aus, als seien sie sehr erpicht darauf, sich in das Reich der Awathani zu begeben. Sie stiegen nur sehr langsam ein.
Tasil zog Maru zur Seite, soweit das in einem Kahn möglich war. »Und?«, fragte er leise.
»Schon wieder Geheimnisse, Tasil?«, fragte Hardis misstrauisch.
»Nur eine Kleinigkeit, mein Freund«, erwiderte Tasil.
»Klias wird tun, was Mahas will, Onkel«, berichtete Maru leise. Und schon wieder hatte sie ihn Onkel genannt.
»Dann war die ganze Aufregung also umsonst«, stellte Tasil befriedigt fest.
»Der Urather soll uns endlich sagen, was er vorhat«, meinte Agir, der sich hinter Gybad und Hardis zurückgezogen hatte.
»Das wirst du bald erfahren. Und bis dahin empfehle ich dir, deine Stimme zu dämpfen, Agir von den Kydhiern. Wir sind hier nicht allein«, beschied ihm Tasil.
Auf der Brücke tat sich etwas. »Seht nur«, rief Maru leise.
Die Köpfe der Männer wandten sich flussaufwärts. Dort schritten, von der Ulbai-Seite aus, einige Würdenträger langsam über das hölzerne Bauwerk. Maru glaubte, unter ihnen den Verwalter zu erkennen, der sie im Bet Kaidhan hatte verhaften lassen. Er trug ein Lamm auf den ausgestreckten Unterarmen.
»Was tun sie da?«, fragte Gybad.
»Es wird das Friedensopfer sein«, meinte Hardis. »Ulbai schickt ein Tier, und Serkesch wird sein Leben nehmen. Ein gemeinsam gebrachtes Opfer. Damit bekunden beide Seiten den Göttern ihren guten Willen.«
»Wo haben sie nur das Lamm her?«, wollte Gybad wissen.
Eine berechtigte Frage, fand Maru. Die Ulbaitai waren so ausgehungert, dass sie schon Mäuse und Krähen als Leckerbissen verspeisten. Wie war das Lamm dem nur entgangen? Doch jetzt schien das Glück des armen Tieres zu Ende zu gehen. Auf dem Damm zeigten sich vier Priester. Sie trugen das Blau und Schwarz Utus. Gemessenen Schrittes gingen sie den Ulbaitai
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