Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Ihre Kehle war immer noch wie zugeschnürt. Vorne im schwankenden Bug rangen die beiden Männer erbittert miteinander.
»Du wirst verlieren«, keuchte Tasil. Und er hatte recht, denn er setzte die Zauberstimme ein. Sie war schwach, kaum zu verstehen, aber gerade stark genug, um Hardis Zweifel an seinem Sieg einzuflößen. Das genügte. Einer der Schatten wurde plötzlich schlaff und schien sich erschöpft an den anderen zu lehnen. Dieser schob ihn mit einer einfachen Bewegung über Bord. Tasil hatte gewonnen.
Für eine Weile versuchten beide nur, wieder zu Atem zu kommen, Tasil im Bug und Maru im Heck des Fischs , während der Kahn von der Strömung flussabwärts getrieben wurde und sich dabei langsam um seine eigene Achse drehte.
»Was hast du getan?«, fragte Maru schließlich. Ihr graute vor Tasil.
»Hätte Agir mich nicht an den Tagor verraten, wäre das alles nicht geschehen. Wir oder sie, Kröte, das war hier die Frage.«
»Aber du hast Gybad hinterrücks ermordet«, rief Maru. In ihr war eine große Wut.
Und Tasil? Er lachte leise. »Was verstehst du schon davon, Kröte? Siehst du nicht, was wir erreicht haben? Siehst du nicht, welcher Schatz hier zu unseren Füßen liegt?«
Aber Maru sah dort nur den toten Körper Gybads liegen.
Ein leises Sirren beendete ihren Streit. Maru fühlte, wie sie etwas an der Schulter streifte und dann ins Wasser zischte.
»Bei Fahs! Sie haben uns eingeholt!«, rief Tasil.
Maru fuhr herum. Tatsächlich. Das Schiff der Ulbaitai und die beiden Schilfboote der Serkesch waren als Umrisse auf dem Fluss auszumachen. Sie mussten ihre Fackeln gelöscht haben! Pfeile kamen aus der Dunkelheit geflogen.
»Dreh uns in die Strömung, Kröte!«
»Wir haben kein Steuerblatt mehr«, antwortete Maru. Sie hatte es verloren, als Agir sie angegriffen hatte.
»Närrin! An die Riemen, schnell, schnell«, rief Tasil.
Maru stolperte zur ersten Bank und griff nach den Stangen. Es waren lange Ruder, vier an der Zahl, für jeden Mann eines. Doch sie waren nur noch zu zweit. »Doch nicht beide«, schalt sie Tasil. Er hatte recht, sie war froh, dass ihre Kraft für eines reichte. Tasil saß plötzlich neben ihr. Gemeinsam drehten sie den Fisch in die Strömung – und dann ruderten sie, sie ruderten um ihr Leben. Vom Ufer tönte ein Hornsignal, dem ein weiteres leises Signal aus der Ferne antwortete. Es kam von flussabwärts. Wenn Maru nach links blickte, dann sah sie die Lichter der Stadt und die Hafeneinfahrt. Ihre Verfolger schlossen auf. Pfeile bohrten sich federnd in das Holz ihres Kahns.
»Was sollen wir tun, Onkel?«, rief Maru.
»Schneller, Kröte, schneller«, keuchte er.
Sie waren nur zu zweit, und ihre Verfolger hatten viele Ruderer und Bogenschützen. Die Strömung war stark, das war ihr einziger Vorteil, denn ihr Kahn war trotz der Beute leichter als die Gefährte der Serkesch und Ulbaitai. Dennoch schoben sich ihre Feinde unerbittlich näher heran. Ewig würden sie ihnen nicht entkommen. Maru warf einen Blick über die Schulter. Da war die Einmündung des Grauen Dhanis. Und dort zeigte sich ein weiterer schwarzer Umriss auf dem Strom. Ein Schiff. Lichter flammten dort auf.
»Sieh nur!«, rief sie.
Tasil blickte kurz zurück. »Weiter, Kröte.«
»Er kann uns retten!«, keuchte Maru.
»Nur, wenn er will, Kröte«, lautete die knappe Antwort.
Maru blickte wieder flussabwärts. Es war die Schwinge , und sie schoss förmlich auf den Schwarzen Dhanis hinaus. Zahlreiche Fackeln loderten dort. Offenbar setzte Tagor Xonaibor nicht auf Heimlichkeit. Er hatte es auch nicht nötig. Der Tagor gebot über fünfzig kampferprobte Männer, und sein Schiff verfügte über vierzig Ruder und einen bronzeverstärkten Rammsporn. Die Schwinge war ein Schiff jener Bauart, mit der die Iaunier zum Schrecken der Meere geworden waren. Sie war kein Handelsschiff, das eine hungernde Stadt in ihrer Not mit Kriegern besetzt hatte, oder gar ein träger Kahn aus gebündeltem Schilf. Sie war eine Waffe, gebaut für den Krieg.
»Wir halten auf sie zu, und dann, im letzten Augenblick, an ihrem Heck vorbei«, befahl Tasil. Die Riemen ächzten, und ihre Feinde kamen näher. »Und wir bleiben im Schwarzen Dhanis«, setzte er keuchend hinzu.
Maru ahnte, was er vorhatte. Unterhalb der Stadt lagen Stromschnellen, dort konnte ihnen kein Schiff folgen. Allerdings begannen diese erst mehr als eine Stunde von Ulbai entfernt. Wie sollten sie so lange ihren Verfolgern vorausbleiben? Maru blickte immer wieder über
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