Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
die Schulter. Die Schwinge kam ihnen entgegen. Natürlich. Der Tagor wusste noch nicht, was im Fisch geschehen war. Er sah nur den Kahn und seine Verfolger. Die Ulbaitai und Serkesch hatten die Schwinge erst jetzt entdeckt. Maru konnte das den aufgeregten Rufen entnehmen, die von Schiff zu Boot flogen. Offenbar wusste man dort nicht, was man von dem fremden Gefährt halten sollte. Das iaunische Schiff schlug einen kleinen Bogen, so als wolle es ausweichen. Maru wurde klar, was sie vorhatten. Sie hörte die Trommeln, die den Ruderern den Takt
vorgaben. Sie schlugen langsam. Doch das würde sich gleich ändern.
»Sie kümmern sich nicht um uns, Onkel«, rief sie. Ihre Hände schmerzten, und ihre Lungen brannten. Lange würde sie das nicht mehr durchhalten.
Tasil warf einen kurzen Blick über den Bug und nickte grimmig. »Sehr gut«, knurrte er. Der Fisch schoss weiter flussabwärts. Sie waren jetzt auf gleicher Höhe mit Xonaibors Schiff. Maru sah den Tagor im Bug stehen, ein Sichelschwert in der Hand. Er starrte zu ihnen herüber und versuchte vermutlich zu erkennen, wie es an Bord ihres Kahns stand. Aber die Dunkelheit schützte sie. Noch konnte er nicht ahnen, dass Hardis und die Seinen tot waren und dass Tasil nicht vorhatte, zum vereinbarten Treffpunkt zu fahren. Maru hörte die Stimme Xonaibors, der einen scharfen Befehl bellte. Ein vielstimmiger Schlachtruf antwortete ihm, und dann erhöhte der Trommler den Takt. Die Schwinge ging auf Rammgeschwindigkeit. Der Elepu des Ulbaitai-Schiffes erkannte die Gefahr. Doch er erkannte sie zu spät, und er beging einen verhängnisvollen Fehler. Maru hörte das Geschrei der Besatzung, als das Gefährt auszuweichen versuchte. Es wollte sich von dem drohenden Zusammenstoß wegdrehen, statt darauf zuzuhalten, und bot dem Rammsporn dadurch seine Breitseite an. Die Schwinge rauschte heran. Holz splitterte, als sie in voller Fahrt über die Ruder ihres Opfers glitt, und dann bohrte sich der Sporn krachend in die Bordwand. Damit nicht genug, schleuderten die Iaunier Brandsätze auf ihre Gegner. Der schilfgedeckte Unterstand des Händlers fing sofort Feuer. Wieder brüllte Xonaibor einen Befehl, und die Schwinge glitt langsam zurück. Der Elepu der Ulbaitai brüllte ebenfalls Befehle, aber niemand befolgte sie noch. Maru erblickte viele Männer, die vom brennenden Schiff sprangen. Die Serkesch sahen, was vor sich ging, aber sie verlangsamten ihre Fahrt nicht. Vielleicht dachten sie, ebenso wie Tasil, dass sie dem großen Schiff
in den Stromschnellen des Dhanis entkommen könnten. Vom ersten Boot brüllte eine Stimme, und Maru erkannte sie wieder. Es war Fakyn. Er hatte also überlebt, und seine Männer hörten offenbar noch auf ihn. Feuer flammten auf, und dann sah Maru Brandpfeile aufsteigen und auf die Schwinge niederregnen.
»Nicht nachlassen, Kröte«, mahnte Tasil. Und er hatte recht. Ein Schrei kam von der Schwinge . Es war Tagor Xonaibor. Es war ein einziges, lang gezogenes »Tasil!«.
Der Iaunier hatte den Betrug endlich erkannt. Langsam drehte sich die Schwinge in die Strömung, und dann tönte der Klang ihrer Trommeln den Fluss hinunter. Ihre Ruder griffen ins Wasser, und sie nahm die Verfolgung auf. Maru spürte ihre Hände kaum noch. Sie hatten einen Vorsprung, aber der würde schnell schmelzen. Noch einmal verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Und während sie, den Rücken voran, den Schwarzen Dhanis hinabglitten, bot sich hinter ihnen ein bizarres Bild. Brandpfeile schossen hin und her, und auf allen Decks waren Männer damit beschäftigt, die Pfeile aus Holz oder Schilf zu ziehen und die kleinen Feuer zu löschen, die immer wieder aufflackerten. Für Tasil und Maru brachte das eine Atempause, denn nun galten die Geschosse nicht mehr ihnen. Und doch jagten Iaunier und Serkesch gemeinsam hinter ihrem Kahn her. Die Schwinge war schneller als ihre Gegner und holte schnell auf, doch sie hatte einen Nachteil: Die meisten ihrer Männer saßen an den Riemen, sie konnten nicht gleichzeitig rudern und kämpfen. Die Schilfkähne waren dagegen überladen mit Kriegern. Hatte Fakyn das auch erkannt? Maru konnte ihn jetzt sehen. Er stand auf dem Bug des vorderen Bootes und hielt eine Fackel in der Hand, mit der er die Pfeile seiner Bogenschützen entzündete. Er brüllte Befehle, winkte, und das zweite Boot wurde plötzlich langsamer. Es drehte ein wenig bei. Wollten sie die Schwinge entern? Es sah danach aus, doch Fakyn hatte seinen Gegner unterschätzt. Das schnelle Schiff
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