Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
erlegen war. »Ein Segen für die armen Kerle, wenn du mich fragst. Doch kam der Ruf spät. Viele konnte ich nicht mehr retten. Erinnerst du dich an die fremden Reiter? Aus dem Norden?«
»Die Hakul?«, fragte Maru. Sie hatte beinahe vergessen, dass es diese Feinde auch noch gab.
»Mag sein, dass man sie so nennt – Hakul. Dort drüben liegt der letzte von ihnen. Besuchen kannst du ihn, Nehis, doch wird er dich kaum erkennen. Uo sitzt schon an seinem Lager und wird ihn bald mitnehmen.«
Unwillkürlich starrte Maru in die angegebene Richtung. Halb erwartete sie, wirklich die Gestalt des schwarzen Gottes dort zu sehen, doch da waren nur die Kranken im Schatten des Schilfdaches.
Wika fuhr fort: »Behaupten kann ich wenigstens, dass es jetzt weniger werden, jeden Tag, die von diesen Lagerstätten hinüber zum Scheiterhaufen getragen werden. Und wenn erst der Graben frisches Wasser und frische Luft durch den Gestank des Lagers führt, wird es noch besser werden. Aber sag, Nehis, du redest viel davon, was der Südländer tut, doch was hast du getan, in all den Wochen, in der großen Stadt? Gibt es da nicht Fragen, denen du nachgehen wolltest?«
Maru sah Wika lange an. Diese Frau war scharfsinnig. »Es gibt in Ulbai weder einen Maghai noch weise Kräuterfrauen, die ich hätte fragen können«, begann sie, »jedoch fand ich einen Mann, der mir auf andere Weise helfen kann, einen Schreiber im Haus der Schrifttafeln, das sie Bet Schefir nennen.«
Wika schüttelte den Kopf. »Ein Schreiber? Einer, der Worte anderer Männer in Ton drückt? Worte, die er selbst nicht versteht? Wie soll der dir helfen können, Nehis?«
Maru seufzte. »Es ist schwierig, du hast recht. Die Akkesch schreiben alles auf – nur das Wichtige, das nicht. Aber was soll ich sonst tun?«
»Armes Kind«, sagte Wika, und es klang halb spöttisch, halb ernst. »Bet Schefir«, murmelte sie. »Ein ganzes Haus voller Antworten. Wenn es so viele davon gibt, Nehis, dann musst du erst die richtige Frage finden, bevor du die Antwort suchst.«
»Es sind doch nur zwei.« Sie senkte ihre Stimme. »Die nach dem … Schatten und die nach dem Mann, der mein Vater ist.«
Die Kräuterfrau sah sie nachdenklich an, schloss die Augen und schwieg eine Weile. Dann sagte sie plötzlich: »Dein Vater. Ein mächtiger Zauberer. Er hat seine ganze Kunst darauf verwandt, sich vor uns allen zu verbergen, Nehis. Was lässt dich glauben, dass du ihn auf einer Tafel Ton findest? In einem Haus, in dem die Akkesch aus- und eingehen? Wo jeder jederzeit diese Tafel in die Hand bekommen könnte? Nein, ich glaube nicht, dass er dort steckt.«
Marus Mut sank. »Etwas Besseres habe ich nicht, Wika«, sagte sie leise.
»Hm«, brummte die Alte, »schon wahr. Zauberer kannst du nicht fragen, musst sie sogar meiden.« Sie blickte Maru plötzlich besorgt an: »Bist du ihnen etwa begegnet?«
»Wem?«
»Den Maghai. Von den Imuledh, den Himmelsbergen, kamen
sie herunter. Seit vorgestern sind sie hier. Drei an der Zahl. Hast du sie nicht gesehen?«
Maru schüttelte den Kopf.
»Gut! Geh ihnen aus dem Weg, Nehis!«
»Aber was wollen sie hier?«
Wika schnaubte verächtlich. »Maghai! Immer tauchen sie auf, wo sie nicht gebraucht werden. Niemand weiß, was sie hier suchen. Vielleicht hat der einäugige Priester sie gerufen, denn es geht nicht voran mit seinem Krieg. Vielleicht sollen sie die Mauern der Stadt für ihn überwinden, vielleicht die Erwachte bändigen, wer weiß? Er ist schwer zu durchschauen, der Einäugige.«
»Und … der Alldhan?«, fragte Maru.
»Was fragst du nach ihm, dummes Kind? Mach dir lieber Sorgen um dich! Fern halten solltest du dich von den Mächtigen. Numur ist krank. Doch nicht am Fieber, nein, Wika hat keine Heilung für ihn. Aber vielleicht … sag, Nehis, weißt du, was ich nicht weiß? Sollen die Maghai nicht die Erwachte, sondern den Alldhan bändigen?« Die Alte sah Maru tief in die Augen, dann murmelte sie: »Nein, du weißt gar nichts, das sehe ich. Aber ist das besser? Ist es besser, du suchst deinen Pfad im Dunkeln? Oder soll das alte Kräuterweib dir leuchten? Nein, hier mischen sich schon zu viele ein. Musst es selbst finden, Nehis. Aber hüte dich vor den Maghai! Wenn sie sehen, dass du zweifach beschenkt bist mit der seltenen Gabe, das könnte dein Ende sein. Eifersüchtig sind sie und mächtig. Vom Leib sollen sie mir bleiben, die Zauberer. Und auch dir, Nehis. Meide sie!«
Maru nickte eingeschüchtert. »Und die Zauberer, sag Wika, wo sind
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