Die Tochter des Magiers
Roxanne.« Alice ergriff ihre Hand und
drückte sie freundschaftlich. »Was immer du tust, wir stehen alle
hinter dir. Auch wenn wir nicht damit einverstanden sind.« Seufzend
schüttelte Alice den Kopf. »Ich kann nicht sagen, was ich an deiner
Stelle machen würde. Und nur du kannst wissen, was du wirklich in
deinem Herzen fühlst. Ich mag Luke, obwohl ich ihn erst seit einer
Woche kenne. Irgendwie seid ihr beiden euch ziemlich ähnlich.«
»Du meinst also, ich sollte ihm vertrauen und ihm von Nate
erzählen?«
»Du mußt tun, was du für richtig hältst. Aber an den Tatsachen
änderst du nichts. Luke ist nun einmal Nathaniels Vater.«
Luke, Luke, Luke. Roxanne kochte innerlich,
während sie ihn und Lily bei den Proben beobachtete. Mouse und Jake
standen etwas abseits und waren mit irgendwelchen Basteleien
beschäftigt.
Woran lag es nur, daß sich, seit er zurück war, plötzlich
alles nur noch um ihn drehte? Sie haßte diesen Zirkus.
Es war grundfalsch gewesen, daß sie eingewilligt hatte, hier
in seinem Wohnzimmer zu proben, das groß wie eine Scheune war. Dadurch
hatte sie sich freiwillig in sein Revier begeben, wo er das Sagen hatte.
Aus der Stereoanlage erklang die Rockmusik, die er sich für
seine Nummer ausgewählt hatte. Dabei haben wir immer mit klassischer
Musik gearbeitet, dachte Roxanne und schob die Hände in ihre
Hosentaschen. Immer. Es machte sie allerdings noch wütender, daß die
Musik zu ihm paßte – und zu der Nummer, die er entwickelt
hatte.
Sie war schnell, aufregend und sexy, und Roxanne wußte genau,
daß das Publikum davon begeistert sein würde. Was ihre Stimmung noch
mehr verfinsterte.
»Gut.« Luke wandte sich zu Lily und küßte ihre geröteten
Wangen. »Wieviel Zeit, Jake?«
»Drei Minuten vierzig«, erwiderte er nach einem Blick auf die
Stoppuhr.
»Ich glaube, wir könnten noch zehn Sekunden gutmachen.« Trotz
der Klimaanlage schwitzte er, aber er wollte diese Illusion nun einmal
besonders schnell vorführen. »Kannst du noch einen Durchgang aushalten,
Lily?«
»Sicher.«
Was denn auch sonst, dachte Roxanne bitter. Ganz wie du
willst, Luke. Wann immer du willst, Luke. Verärgert drehte sie sich um
und zog sich in eine Ecke des Raumes zurück. Sie würde inzwischen die
Nummer mit dem tanzenden Kristall proben. Neben dem riesigen Kamin
stand ein Klapptisch, auf dem eine Anzahl Requisiten lagen.
Der geschliffene Kristall, der in allen Regenbogenfarben
schimmerte, lag gut in ihrer Hand. Sie versuchte, im Geist die Musik
Tschaikowskys zu hören, die abgedunkelte Bühne zu sehen, das bunte
Scheinwerferlicht und sich selbst, von Kopf bis Fuß in strahlendes Weiß
gekleidet und fluchte, als die laute Rockmusik sie immer wieder aus
ihrer Konzentration riß.
Luke sah ihren erbitterten Blick und grinste. »Mouse, wie wäre
es, wenn du schon mal alles für den Schwebeakt aufbaust?«
»Klar.« Mouse kam bereitwillig herbei.
»Alles tanzt nach deiner Pfeife, was?« sagte Roxanne, als Luke
zu ihr kam.
»Das nennt man Teamarbeit.«
»Ich wüßte ganz andere Ausdrücke dafür. Es gefällt dir wohl,
daß alle deine ergebenen Sklaven sind?«
»Aber, aber. Sieh die Sache mal so, Rox. Wenn wir diese
Geschichte hinter uns haben, brauchst du mich nie wieder zu
sehen – falls du nicht willst.«
»Ein sehr beruhigender Gedanke.« Verärgert merkte sie, daß ihr
Herz schneller schlug. »Du mußt mir aber zuerst noch mehr über die
Sache bei Wyatt erzählen. Irgend etwas verheimlichst du mir nämlich,
und so was mag ich gar nicht.«
»Du auch«, erwiderte er ruhig. »Und ich mag so was ebenfalls
nicht.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»O doch, das weißt du sehr gut. Da ist irgend etwas, das du
mir nicht sagst, denn ich spüre genau, wie alle deswegen förmlich den
Atem anhalten. Sag es mir. Wir kommen damit schon zurecht, egal was es
ist.«
»Ach?« Sie funkelte ihn wütend an. »Du meinst also, es gibt
etwas, das ich dir verheimliche? Was könnte das wohl sein? Laß mich
nachdenken … vielleicht, daß ich dich verabscheue?«
»Nein. Das hast du mir seit über einer Woche immer wieder
unter die Nase gerieben. Und übrigens verabscheust du mich nur, wenn du
dich gewaltsam daran erinnerst.«
»Im Gegenteil, das macht mir gar keine Mühe.« Sie lächelte
honigsüß.
»Weil du in Wirklichkeit immer noch verrückt nach mir bist.«
Er küßte ihre Nasenspitze. »Aber wir wollen sachlich bleiben, nicht
wahr?«
»Genau.«
»Konzentrieren wir uns also auf unsere
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