Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
nicht mehr zu. Verblüfft sah Roxanne,
wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Ungläubig starrte er an ihr
vorbei und ließ seine Hände sinken. »O Gott«, war alles was er sagte.
    »Mama!«
    Roxanne blieb beinahe das Herz stehen, als sie die Stimme
ihres Sohnes vernahm. Sie drehte sich wie benommen um. In der Küchentür
stand Nate und blinzelte schläfrig. Mit einer Hand rieb er sich über
die Augen, mit der anderen zerrte er seinen ramponierten Plüschhund
hinter sich her.
    »Du bist nicht gekommen, mir einen Gutenachtkuß zu geben.«
    »O Nate.« Ihr war plötzlich entsetzlich kalt, als sie sich
bückte, um ihr Kind in die Arme zu nehmen. »Es tut mir leid. Ich wollte
gleich noch zu dir kommen.«
    »Ich hab auch gar nicht das Ende der Geschichte gehört, die
Alice mir erzählt hat«, beklagte er sich und schmiegte gähnend den Kopf
an ihre Schulter. »Ich bin vorher eingeschlafen.«
    »Es ist ja auch schon spät, Baby.«
    »Krieg ich noch ein Eis?«
    Sie wollte lachen, aber es klang eher wie ein Schluchzen. »Auf
keinen Fall.«
    Luke starrte den kleinen Jungen regungslos und mit brennenden
Augen an. Sein Herz war ihm bis in die Knie gerutscht, und er hatte das
Gefühl, als zerreiße ihm etwas in der Brust. Das Kind hatte sein
Gesicht. Sein Gesicht. Ihm war, als schaue er
durch ein umgedrehtes Fernrohr und sähe sich selbst vor vielen
Jahren – in einer Vergangenheit, die er nie gehabt hatte.
    Mein Kind, dachte er. Gütiger Gott. Mein Kind.
    Nachdem er nochmals ausgiebig gegähnt hatte, musterte Nate ihn
ebenfalls neugierig. »Wer ist das?«
    Obwohl sich Roxanne immer wieder ausgemalt hatte, wie sie
ihren Sohn wohl seinem Vater vorstellen würde, war sie nun völlig
ratlos. »Ach … er ist …« Ein Freund? Oder was?
    »Das ist Luke«, mischte Lily sich hastig ein und legte Luke
eine Hand auf den Arm. »Er war früher mein kleiner Junge, bevor er
erwachsen wurde.«
    »Ach so.« Nate lächelte freundlich und betrachtete diesen
großen Mann mit dem schwarzen Haar, das zu einem Pferdeschwanz
zurückgebunden war. Er fand, daß sein Gesicht beinahe so hübsch war wie
das eines Prinzen in seinem Märchenbuch. »Hallo.«
    »Hallo.« Luke staunte, wie ruhig seine Stimme klang, obwohl
ihm die Kehle wie zugeschnürt war. Er mußte ihn unbedingt berühren und
sich überzeugen, daß er nicht träumte. »Magst du Hunde?« fragte er und
fühlte sich entsetzlich dumm.
    »Das ist Waldo.« Gutmütig hielt Nate ihm den Plüschhund hin.
»Wenn ich einen richtigen Hund kriege, nenne ich ihn Mike.«
    »Das ist ein schöner Name.« Nur mit den Fingerspitzen strich
Luke über Nates Wange, als befürchte er, der Junge könne sich auflösen
wie eine Erscheinung.
    Eher verschmitzt als schüchtern schmiegte Nate sein Gesicht an
die Schulter seiner Mutter und strahlte Luke an. »Vielleicht hättest du
auch gern ein Eis?«
    Roxanne wandte den Blick ab. Der Schmerz und das ungläubige
Staunen in Lukes Augen waren noch schlimmer zu ertragen als ihr
quälendes Schuldgefühl. »Die Küche ist geschlossen, du gerissener
Kerl.« Besitzergreifend drückte sie ihn an sich und schämte sich über
den Drang, einfach mit ihm davonzulaufen. Nein, so feige wollte sie
nicht sein. »Und für dich ist es höchste Zeit, daß du ins Bett kommst,
ehe du dich noch in einen Frosch verwandelst.«
    Er quakte übermütig und kicherte.
    »Ich bringe ihn hoch.« Lily streckte die Arme nach ihm aus,
ehe Roxanne protestieren konnte.
    Nate wickelte eine von Lilys Locken um seine Finger und ließ
seinen Charme spielen. »Liest du mir noch eine Geschichte vor? Ich
hab's am liebsten, wenn du mir vorliest.«
    »Na sicher. Jean?« Lily bemerkte amüsiert, daß LeClerc nach
wie vor die blitzblanke Oberfläche des Herdes scheuerte. »Komm doch mit
uns.«
    »Sobald ich hier fertig bin.« Er seufzte, als Lily ihn drohend
anfunkelte. »Ich komme ja schon.«
    Nate ließ sich eine so günstige Gelegenheit natürlich nicht
entgehen und begann sofort zu verhandeln, als sie draußen im Flur
waren. »Kriege ich zwei Geschichten vorgelesen? Eine von dir und eine
von dir.«
    Roxanne schaute Luke schweigend an.
    »Ich glaube …« Sie räusperte sich, da ihre Stimme
unsicher klang, und versuchte erneut. »Ich glaube, mir ist nach etwas
Stärkerem zumute als Kaffee.« Sie wollte sich umdrehen, aber Luke hatte
blitzschnell ihren Arm gepackt und hielt sie fest.
    »Er ist mein Sohn«, sagte er gefährlich leise. »Herrgott,
Roxanne, dieser Junge ist mein Sohn. Meiner.« Er war so

Weitere Kostenlose Bücher