Die Tochter des Magiers
war und strich unwillkürlich mit einer Hand
durch sein Haar.
»Wir haben einen Sohn«, flüsterte er.
»Ja.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Wir haben einen
wunderbaren Sohn.«
»Ich kann nicht zulassen, daß du ihn vor mir versteckst,
Roxanne. Ganz egal, was du von mir denkst oder was du für mich
empfindest. Das kann ich nicht.«
»Ich weiß. Aber ich will nicht, daß du ihm weh tust.« Sie
löste sich von ihm. »Ich will nicht, daß du so wichtig für ihn wirst,
daß du ihm fehlst, wenn du wieder gehst.«
»Ich will meinen Sohn. Ich will dich. Ich will mein Leben
wiederhaben, und bei Gott, das alles hole ich mir zurück, Roxanne. Und
du hörst mir jetzt zu.«
»Nicht heute abend.« Aber er hatte bereits ihre Hand ergriffen
und zog sie über den Hof zum Arbeitszimmer. »Laß mich los«, befahl sie
wütend. »Für heute reicht es mir. Ich bin schon durcheinander genug.«
»Ich habe fünf Jahre hinter mir, die eine einzige Qual waren,
da wirst du es wohl noch ein paar Minuten aushalten können.« Er hob die
zappelnde Roxanne kurzerhand hoch, riß die Tür auf und trug sie hinein.
»Was unterstehst du dich?« fauchte sie, als er sie auf einen
der Tische setzte. »Du hast gerade von deinem Sohn erfahren, und statt
in Ruhe mit mir darüber zu reden, wie es sich unter erwachsenen
Menschen gehört, schmeißt du mich durch die Gegend, als sei ich ein
Postpaket!«
»Wir werden nicht miteinander reden, weder in Ruhe noch wie
Erwachsene oder sonstwie.« Er nahm sich ein paar Handschellen und
reagierte schnell genug, um ihrer Faust auszuweichen, doch es war nur
eine Finte gewesen. Mit dem zweiten Schlag traf sie ihn auf die Lippe.
Sie begann zu bluten. »Statt dessen wirst du mir einfach mal zuhören!«
erklärte er, packte ihre Hände und ließ die Handschellen zuschnappen.
»Du hast dich kein bißchen verändert.« Sie hätte sich vom
Tisch gerollt, selbst auf die Gefahr hin, dabei mit der Nase auf dem
Boden zu landen, wenn er sie nicht festgehalten und die
Verbindungskette der Handschellen in einen Schraubstock geklemmt hätte.
»Du bist immer noch ein richtiger Bastard und ein Tyrann.«
»Und du bist immer noch stur und dickköpfig«, entgegnete er
zufrieden. Jetzt konnte sie ihm nicht mehr entkommen. Roxanne versank
in ein eisiges Schweigen. Wenn er reden will, dachte sie, soll er
reden, bis er schwarz wird. Aber deswegen brauchte sie noch lange nicht
zuzuhören. Sie konzentrierte sich vielmehr ganz darauf, sich aus den
Handschellen zu befreien. Er war nicht der einzige, der Tricks im Ärmel
hatte.
»Ich habe dich verlassen«, begann er. »Das kann und will ich
nicht abstreiten. Ich habe dich verlassen und Max und Lily und alles,
was mir etwas bedeutete. Mit zweiundfünfzig Dollar in der Tasche und
den Einbruchswerkzeugen, die Max mir zu meinem einundzwanzigsten
Geburtstag geschenkt hatte, bin ich nach Mexiko geflogen.«
Roxanne schnaubte empört. »Samt Schmuck im Wert von etlichen
hunderttausend.«
»Ich hatte keinen Schmuck. Ich bin nie an den Safe
herangekommen.« Obwohl sie versuchte, nach ihm zu beißen, packte er ihr
Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Es war eine Falle, hörst du? Es
war von Anfang an alles arrangiert. Gott weiß, was mit dir geschehen
wäre, wenn du bei mir gewesen wärst. Trotz allem war ich immer dankbar,
daß du an diesem Tag krank warst und zu Hause bleiben mußtest.«
»Eine Falle – von wegen.« Sie riß sich los und
verfluchte die Tatsache, daß sie bei den Entfesselungsnummern nie so
gut gewesen war wie Luke und es auch nie sein würde.
»Er wußte es.« Die alte Wut stieg wieder in ihm hoch. Luke
wischte sich das Blut von den Lippen. »Er wußte genau Bescheid. Er
wußte alles über uns.«
Trotz des Unbehagens, das sie plötzlich überlief, fauchte sie:
»Was soll das heißen? Willst du mir etwa weismachen, Sam wußte, daß wir
vorhatten, ihn zu bestehlen?«
»Nicht nur das – er wollte es sogar.«
Sie preßte die Lippen zusammen und lächelte grimmig. »Für wie
dumm hältst du mich eigentlich, Callahan? Er hat mir gegenüber schon
vor Jahren Anspielungen gemacht, daß er irgend etwas wisse. Damals, als
wir ihm in Washington über den Weg gelaufen sind. Aber wenn das der
Fall gewesen wäre, hätte er es bestimmt irgendwie ausgenutzt und nicht
seelenruhig zugeschaut, wie wir in sein Haus einbrechen und ihn um den
Schmuck seiner Frau erleichtern.«
»Er hatte auch nicht vor, uns den Schmuck zu überlassen. Und
er hat sein Wissen sehr wohl genutzt, Rox,
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