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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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erzählen, ehe du zu ihm gehst.«
    »Er fing an zu reden«, sagte Lily. »Über – über San
Francisco. O Roxy, er hat sich an mich erinnert. Er hat sich an alles
erinnert.«
    Nate war so bestürzt über ihre Tränen, daß er die Arme nach
ihr ausstreckte. Lily nahm ihn und drückte ihn schniefend an sich,
während Nate ihre Wange streichelte. »Er hat mir die Hand
geküßt – genau wie früher immer. Und er hat darüber geredet,
wie wir mal eine Woche in San Francisco verbracht haben, auf der
Terrasse unseres Hotelzimmers Champagner tranken und Kaviar aßen und
auf die Bucht hinausschauten. Und wie – wie er versuchte, mir
Kartentricks beizubringen.«
    »O nein.« Roxanne wußte, daß es hin und wieder vorkam, daß er
für wenige Augenblicke ganz klar war, aber jedesmal flammte erneut
dieser hartnäckige Funken Hoffnung in ihr auf, daß es diesmal länger
andauern würde. »Warum bin ich bloß nicht hier gewesen!«
    »Du konntest es ja nicht wissen.« LeClerc nahm ihre Hand.
»Lily hatte gerade bei Luke angerufen, als du zur Tür hereinkamst.«
    »Ich gehe hoch.« Sie strich Nate über den Kopf, der sich an
Lilys Schulter schmiegte. »Später komme ich noch zu dir, um dir einen
Gutenachtkuß zu geben, ja?«
    »Erzählst du mir auch eine Geschichte?«
    »Sicher.«
    »Eine richtig lange, mit Monstern?«
    »Eine ganz, ganz lange mit gräßlichen Monstern.«
    »Grandpa hat gesagt, ich sei gewachsen. Ich hab aber gar
nichts davon gemerkt.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen. »Selbst merkt man das oft
nicht.«
    »Wieso hat er es dann gesehen?«
    »Weil er ein Zauberer ist.« Sie küßte ihn auf die Nasenspitze
und eilte zu ihrem Vater.
    Er trug einen dunkelroten Morgenrock, sein
graues Haar war frisch gekämmt, und wie jeden Tag, wenn sie ihn
besuchte, saß er an seinem Schreibtisch. Aber diesmal schrieb er. Mit
langen, schwungvollen Schriftzügen, die sie so gut kannte, füllte er
Zeile um Zeile.
    Roxanne blickte zu der Schwester hinüber, die am Fußende des
Bettes stand und eine Karteikarte ausfüllte. Sie nickte ihr
verständnisvoll zu, ehe sie das Zimmer verließ.
    Max gingen so viele Dinge gleichzeitig durch den Sinn, daß er
Mühe hatte, alles niederzuschreiben, bevor die Gedanken wieder
verblaßten und ihm verlorengingen.
    Daß dies über kurz oder lang geschehen würde, wußte er, und
dieses Wissen war für ihn die Hölle. Mit aller Kraft wehrte er sich
gegen den Nebel, der schon irgendwo lauerte, und schrieb wie gehetzt
weiter, auch wenn es eine Tortur war, den Stift in den verkrampften
Fingern zu halten. Er hatte wieder in die Gegenwart zurückgefunden und
war bei klarem Verstand, aber er wußte nicht, ob es nur noch eine
Stunde oder einen ganzen Tag andauerte. Deshalb wollte er keinen
Augenblick vergeuden.
    Roxanne trat näher zu ihm. Sie hatte Angst, etwas zu sagen. Es
wäre unerträglich, wenn er aufschauen und sie mit gleichgültigen
Blicken betrachten würde, als sei sie eine Fremde. Oder noch schlimmer,
als sei sie ein Schatten, irgendeine Illusion, eine Sinnestäuschung,
die ihm nichts weiter bedeutete.
    Als er aufblickte, war sie zuerst bestürzt. Er wirkte so
erschöpft, so blaß und entsetzlich dünn. Seine Augen waren hell,
vielleicht zu hell, aber zu ihrer Freude sah sie, daß er sie erkannte.
    »Daddy.« Sie sank auf die Knie und preßte überglücklich ihren
Kopf an seine magere Brust. Sie hatte gar nicht gewußt, wie sehr sie
ihn brauchte. Wie sehr sie es vermißt hatte, seine Umarmung, seine
Liebe zu spüren.
    Sie atmete tief durch, damit ihre Rührung sie nicht
überwältigte. Sie wollte ihn nicht mit Tränen begrüßen. »Rede mit mir.
Bitte. Rede mit mir. Sag mir, wie du dich fühlst.«
    »Es tut mir leid.« Er beugte sich zu ihr und küßte ihre Stirn.
Sein kleines Mädchen. Es gelang ihm nicht, sich an die Jahre zu
erinnern, die vergangen waren und in denen aus seinem Kind diese Frau
geworden war, die er in den Armen hielt. Deshalb gab er sich damit
zufrieden, sie weiterhin als sein kleines Mädchen zu sehen.
    »So unendlich leid, Roxy.«
    »Nein, nein.« Sie drückte seine Hände so fest, daß es
schmerzte, aber es kümmerte ihn nicht. »Ich will nicht, daß es dir leid
tut.«
    Mein Kind, meine Tochter, dachte er. Wie unglaublich hübsch
sie ist. Er sah die Tränen in ihren Augen und spürte ihre Liebe.
    »Ich bin auch dankbar.« Er lächelte. »Für dich. Für euch
alle.« Er küßte ihre Hände und seufzte. Aber er konnte zuhören. »Erzähl
mir, welche neuen Zaubereien du

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