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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nämlich um mich dafür büßen
zu lassen, daß ich ihm damals vor vielen Jahren im Weg war, daß ich ihm
seine verfluchte Nase gebrochen und ihn gedemütigt habe. Er hat es
genutzt, um euch alle zu treffen, weil ihr die Unverschämtheit hattet,
ihn aufzunehmen, ihm helfen zu wollen und ihn später weggejagt habt.«
    Ein eisiger Schauder überlief sie plötzlich. »Wenn er so genau
wußte, daß wir Diebe sind, warum hat er uns nicht auffliegen lassen?«
    »Woher soll ich wissen, was in seinem kranken Hirn vor sich
geht?« Luke wandte sich ab. Auf dem Tisch lagen drei Zinnbecher und
einige bunte Bälle. Er begann gedankenverloren mit dem alten Spiel,
während er fortfuhr: »Ich kann es nur vermuten. Wenn er euch verpfiffen
hätte und es euch nicht gelungen wäre, zu entkommen, hätte er
bestenfalls die Genugtuung gehabt, euch im Gefängnis zu sehen. So
bekannt und angesehen wie die Nouvelles sind, hättet ihr sehr
wahrscheinlich von den Schlagzeilen und dem ganzen Rummel letztlich
sogar noch profitiert.« Seine Hände bewegten sich immer schneller. »Er
wollte euch viel lieber leiden sehen und vor allem mich. Er hatte es
seit langer Zeit gewußt, zumindest seit mehreren Monaten.«
    »Aber wie denn? Es hat nie den Hauch eines Verdachts gegen uns
gegeben. Wie soll so ein mieser kleiner Politiker das alles
herausgefunden haben?«
    »Durch mich.« Luke geriet aus dem Rhythmus. Er lockerte seine
Finger und begann erneut. »Er hat Cobb auf mich angesetzt.«
    »Wen?«
    »Cobb. Der Kerl, mit dem meine Mutter zusammengelebt hat, als
ich von ihr weglief.« Er schaute zu Roxanne, doch sein Gesicht war
völlig ausdruckslos. »Der Kerl, der mich geprügelt hat, bis ich die
Besinnung verlor, der mich eingesperrt hat, mich an die Abflußrohre im
Bad fesselte, der mich für zwanzig Dollar an einen betrunkenen
Perversen verkauft hat.«
    Sie wurde bleich. Was er sagte, war entsetzlich genug, doch
seine tonlose Stimme ließ ihr das Blut erstarren. »Luke.« Sie hätte ihn
gern getröstet, aber die Handschellen machten ihr jede Bewegung
unmöglich. »Luke, mach mich los.«
    »Nicht, ehe du alles gehört hast. Alles.« Er nahm einen der
Becher und sah, daß sich seine Finger auf dem Zinn abgezeichnet hatten,
so fest hatte er zugedrückt. Es erschien ihm wie der sichtbare Beweis
für die Scham, die er immer noch mit sich herumtrug und die er wohl
auch nie loswerden würde. »Erinnerst du dich an den Abend, als wir
draußen im Regen standen? Du hattest mir von diesem bebrillten
Dreckskerl erzählt, der versucht hatte, über dich herzufallen, und ich
geriet in maßlose Wut, weil ich genau wußte, wie das war. Der Gedanke
war mir unerträglich, daß du … daß irgend jemand dich so
behandelt hatte. Dann habe ich dich in die Arme genommen und geküßt.
Ich wollte mich dagegen wehren, aber ich konnte es nicht. Ich habe dich
so sehr begehrt. Und für einen kurzen Moment habe ich gedacht, es wäre
richtig.«
    »Das war es auch«, flüsterte sie. Sie hatte das Gefühl, als
schließe sich der Schraubstock um ihr Herz und drücke es zusammen. »Es
war wundervoll.«
    »Und dann habe ich ihn gesehen.« Luke legte die Becher wieder
hin. Jetzt war nicht die Zeit, herumzuspielen. Jetzt war es Zeit für
die nackte Wahrheit. »Er ging direkt an uns vorbei und schaute mich an.
In diesem Moment wußte ich, daß nichts in Ordnung war und
wahrscheinlich auch nie sein würde. Deshalb habe ich dich ins Haus
geschickt und bin ihm nachgegangen.«
    »Was …« Sie biß sich auf die Lippen und erinnerte
sich, wie betrunken Luke gewesen war, als er damals heimgekommen war.
»Du hat ihn doch nicht …«
    »Ihn umgebracht?« Er lächelte so bitter, daß sie fröstelte.
»Es wäre besser gewesen, wenn ich es getan hätte. Wie alt war ich
damals – zweiundzwanzig, dreiundzwanzig? Herrgott, ich hätte
genausogut wieder zwölf sein können, solche Angst hat er mir eingejagt.
Er wollte Geld – also gab ich ihm Geld.«
    »Du hast ihn bezahlt? Aber warum denn?«
    »Damit er das, was er wußte, für sich behielt. Damit er nicht
an die Öffentlichkeit ging und erzählte, daß ich mich verkauft hätte.«
    »Aber du hast doch gesagt …«
    »Meinst du, die Wahrheit hätte irgend jemanden interessiert?
Ich war verkauft worden, benutzt worden – und habe mich
abgrundtief geschämt.« Er schaute sie an, und die wilde Verzweiflung in
seinen Augen traf sie wie ein Stich ins Herz. »Und ich schäme mich
immer noch.«
    »Du hast doch nichts getan.«
    »Ich war ein Opfer.

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