Die Tochter des Magiers
ausgeheckt hast.«
»Ich mache gerade eine Variante des Indischen Seiltricks. Sehr
stimmungsvoll und dramatisch. Es läuft gut. Mouse hat es mit einer
Videokamera gefilmt, damit ich es mir ansehen konnte.« Sie lachte. »Ich
war verblüfft über mich selbst.«
»Ich würde es gern sehen.« Er legte eine Hand unter ihr Kinn,
so daß er ihr in die Augen schauen konnte. »Lily hat mir erzählt, ihr
arbeitet an einer Schwebenummer.«
Sie brauchte ihre ganze Willenskraft, um seinem Blick
standzuhalten. »Du weißt also, daß er zurück ist.«
»Ich habe geträumt, er sei wieder da …« Und da Traum
und Realität sich ständig vermischten, war er nicht ganz sicher
gewesen. »Hier neben mir hat er gesessen.«
»Er kommt fast jeden Tag, um dich zu besuchen.« Sie wäre am
liebsten aufgestanden und hin- und hergelaufen, aber sie brachte es
nicht über sich, sich von ihm loszureißen. »Wir arbeiten wieder
zusammen, jedenfalls vorübergehend. Er hat eine tolle Sache ausgeheckt,
die einfach zu verlockend ist. In Washington findet eine Auktion
statt …«
»Roxanne«, unterbrach er. »Was bedeutet es für dich, daß Luke
zurückgekommen ist?«
»Ich weiß nicht. Es darf mir nichts mehr bedeuten. Ich will es
nicht.«
»Ist dieser Wunsch nicht ein bißchen armselig?« meinte er
lächelnd. »Hat er dir erzählt, warum er damals verschwunden ist?«
»Nein. Ich wollte es nicht hören.« Unruhig stand sie auf. »Was
für einen Unterschied würde das auch machen? Er hat mich verlassen. Er
hat uns alle verlassen. Wenn dieser Job vorbei ist, wird er wieder
gehen. Und diesmal wird es mir nichts ausmachen, weil ich das einfach
nicht zulassen werde.«
»Es gibt keinen Zaubertrick auf der Welt, mit dem man sein
Herz panzern könnte, Roxy. Ihr habt ein Kind zusammen, meinen Enkel.«
Max verschwieg, wie bitter es für ihn war, daß er nur undeutliche
Erinnerungen an den Jungen hatte.
»Ich habe ihm nichts von Nate gesagt.« Als ihr Vater keine
Antwort gab, wirbelte sie herum, um sich zu verteidigen. »Du findest
das etwa auch nicht richtig?«
Er seufzte nur. »Du hast immer schon deine eigenen
Entscheidungen getroffen. Ob es richtig oder falsch ist, mußte du
allein verantworten. Aber nichts kann etwas an der Tatsache ändern, daß
Luke Nathaniels Vater ist.« Er streckte eine Hand nach ihr aus. »Ganz
egal, was du tust, daran änderst du nichts.«
Ihre Anspannung löste sich, und sie atmete tief durch. »Nein,
daran kann ich nichts ändern.« Ach, ich habe dich so sehr
vermißt, Daddy, hätte sie am liebsten gerufen, aber sie
schwieg, da sie fürchtete, ihn nur unnötig zu quälen. »Es ist so
schwer, die ganze Verantwortung zu tragen, Max. So verflucht schwer.«
»Wenn etwas leicht ist, ist es meist auch langweilig, Roxy.
Und wer will schon ein langweiliges Leben?«
»Na ja, wenigstens hin und wieder wäre das gar nicht so
schlecht.«
Er schüttelte nur lächelnd den Kopf. »Roxy, Roxy, mir kannst
du nichts vormachen. Du blühst erst richtig auf, wenn du das Kommando
hast. Der Apfel fällt schließlich nicht weit vom Stamm.«
Sie lachte und kauerte sich wieder zu ihm. »Okay, vielleicht
hast du recht. Aber es würde mir nichts ausmachen, wenn man mir sagte,
was ich tun soll – ab und zu jedenfalls.«
»Du würdest nämlich trotzdem tun, was du willst.«
»Klar.« Übermütig schlang sie ihre Arme um ihn. »Aber es macht
viel mehr Spaß, wenn jemand zuerst versucht, mich ein bißchen
herumzukommandieren.«
»Dann will ich dir etwas sagen: Auch wenn der Weg noch so
unsicher scheint, es ist immer besser, loszugehen als regungslos
stehenzubleiben.«
»Gratislektion?« murmelte sie und schmiegte sich mit einem
Seufzer an ihn.
Roxanne spürte, daß ihre Knie zitterten,
als sie wieder nach unten ging, nachdem ihr Vater eingeschlafen war. Er
war völlig übermüdet gewesen, und sie hatte beinahe sehen können, wie
er mit zunehmender Müdigkeit wieder in dieser fremden Welt versank. Als
sie ihn liebevoll zudeckte, hatte er sie Lily genannt.
Sie mußte akzeptieren, daß er sich morgen früh beim Aufwachen
möglicherweise an nichts mehr erinnerte. Die Stunde, die ihnen
geschenkt worden war, würde genügen müssen.
Traurig und erschöpft blieb sie unten an der Treppe stehen.
Sie mußte sich zusammenreißen. Sie war es ihrer Familie schuldig, stark
zu sein. Ehe sie in die Küche ging, setzte sie deshalb ein
unbekümmertes Lächeln auf.
»Ich habe den Kaffee schon von weitem …« Sie
verstummte abrupt. Mitten unter den
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