Die Tochter des Münzmeisters
halten?«
»Natürlich nicht, sei nachsichtig mit mir!« Dabei hielt er lachend die Hände vor seinen Körper. Dann wurde er wieder ernst. »Auch mir haben die vielen vertrauten Stunden mit dir gefehlt, doch ich habe Trost in meinen Gebeten gefunden. Es gibt nicht so viel zu scherzen bei uns im Stift.«
Hemma betrachtete ihn nachdenklich. »Für Vater wäre es die größte Freude, wenn du dein Priestergelübde nicht ablegen würdest. Der Kaiser hätte mit Sicherheit Verwendung für einen fähigen Kämpfer.«
»Wie kommst du nur darauf, dass ich meine Entscheidung in Frage stelle?«, entgegnete ihr Bruder entrüstet. »Nein, ich bereue nichts, und kämpfen werde ich auch in Zukunft nur noch mit Worten.« Ein wenig sanfter fuhr er fort: »Doch jetzt sag endlich, was belastet dich? Ich merke schon den ganzen Abend, dass dir etwas aufs Gemüt schlägt.«
Da sprudelte es aus Hemma heraus. Sie erzählte von Burchards Antrag und der Ablehnung ihres Vaters, verbunden mit der Vereinbarung einer Ehe mit dem Bruder Adalberts. Goswin wusste von alldem nichts, aber seine Antwort fiel anders aus, als sie es erhofft hatte.
»Ich verstehe nicht ganz, Hemma. Du solltest froh sein, dass unser Vater nicht leichtfertig über deine Zukunft entscheidet. Friedrich von Goseck ist dem Hören nach ein wahrer Edelmann. Er wird dich auf Händen tragen und Gott dafür danken, dass er dich zur Frau bekommt.«
Hemma sah ihn entgeistert an. »Goswin, er ist fast so alt wie Vater! Ich kenne ihn überhaupt nicht, wer weiß, vielleicht ist er ganz furchtbar dick oder hat überhaupt keine Haare mehr auf dem Haupt. Möglicherweise hinkt er, oder, noch schlimmer, vielleicht fehlt ihm gar ein Bein!«
»Auch unserem Vater fehlt ein Arm, und er ist mit Sicherheit mehr Mann als manch anderer mit allen Gliedmaßen!«, wies Goswin sie streng zurecht. »Deine Furcht ist verständlich, wenngleich ein wenig übertrieben. Es dürfte auch dir nicht entgangen sein, dass die meisten Ehemänner älter sind als ihre Frauen. Bestimmt wird er ganz ansehnlich sein, du wirst sehen.« Er legte einen Arm um seine Schwester und zog sie zu sich heran.
Hemma seufzte leise und verkniff sich eine Antwort. Es hätte sowieso nichts genützt. Entgegen aller Vernunft stellte sie nach kurzer Zeit aber eine weitere Frage: »Was würdest du einer Frau raten, die in einen Mann verliebt ist, der vom Stand her höher steht als sie?«
Goswin schwieg eine Weile, dann antwortete er bestimmt: »Eine solche Liebe bringt für beide auf Dauer nur Unglück. Selbst wenn er sie ebenfalls liebt und sie sogar heiraten würde, hätten beide nur Verdruss an dieser Verbindung, denn niemand würde sie anerkennen.«
Hemma war froh, dass der Stall nicht von Licht erhellt war, denn sonst wäre ihm mit Sicherheit ihr trauriger Gesichtsausdruck aufgefallen.
In dem Augenblick hörten sie ein langes Stöhnen aus der hinteren Ecke des Stalles. Die beiden Geschwister sprangen gleichzeitig auf und stürzten in die Richtung, in der sich Udolfs Kammer befand. Hemma bemerkte seltsamerweise erst jetzt, dass sie ihn bei der Vorführung nicht gesehen hatte, und öffnete hastig die Tür.
Dank der kleinen Fensteröffnung konnten sie den Pferdeknecht sehen. Er lag auf seinem Strohlager und wälzte sich unruhig hin und her, wobei sich seiner Kehle erneut ein langgezogenes Stöhnen entrang.
»Schnell, hol Waltraut! Sie wird wissen, was zu tun ist.«
Goswin kniete nieder, und Hemma lief los. Als sie die kleine Kammer verließ, mussten sich ihre Augen erst wieder an das dunklere Licht im Stall gewöhnen, deshalb sah sie auch die beiden Gestalten nahe beim Eingang nicht und prallte mit jemandem zusammen. Bevor sie losschreien konnte, hatte sich eine Hand auf ihren Mund gelegt.
»Nicht schreien, Fräulein Hemma, ich bin es, Esiko.« Gleich darauf war ihr Mund wieder frei, und auch der Arm, der sie umfasst hatte, glitt von ihr ab.
»Wir brauchen Waltraut! Udolf geht es nicht gut, schnell!«
Sie erhielt keine Antwort, aber gleich darauf öffnete sich die Tür, und in dem Lichtschein, der vom Hof hineinfiel, konnte sie erkennen, wie Esiko eilig den Stall verließ. Sie atmete tief durch und fühlte eine unglaubliche Erleichterung in sich aufsteigen. Erst in dem Moment bemerkte sie, dass sie nicht alleine war, und sog scharf die Luft ein.
Neben ihr stand ein wenig verloren die dunkelhaarige Tänzerin. Für einen kurzen Zeitpunkt starrten die beiden Frauen sich an, dann lächelte die fremde Frau verlegen, knickste und
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