Die Tochter des Münzmeisters
einzige Person in seiner direkten Umgebung mit halbwegs menschlichen Gefühlen. Dass sie ihn nicht geliebt hatte, konnte er sogar verstehen – wie auch? Jedes Mal, wenn sie ihn angesehen hatte, musste sie an ihren verhassten Mann denken. Aber seitdem lechzte der Junge in dem mittlerweile erwachsenen Mann nach Liebe.
Deshalb hatte er den direkten Weg zum König gesucht, der ihn nach einigen wichtigen Äußerungen über so manchen unzufriedenen sächsischen Fürsten auch gerne wieder in seine Gunst aufgenommen hatte. Dietbert atmete die Nachtluft tief ein, lauschte dem Zirpen der Grillen und versuchte sich zu entspannen. Als eine Katze direkt unter seinem Fenster ihr klagendes Geschrei anstimmte, zuckte er zusammen. Der schwarze Himmel über ihm war von unzähligen glitzernden Sternen erhellt, denn die Nacht war klar, und selbst hinter den dicken Burgmauern hielt sich noch immer die schwülwarme Luft des Tages, so dass an Schlaf kaum zu denken war.
Beim Gedanken an den Hass, den er in den Augen Randolfs gesehen hatte, schauderte er. Der gleiche Ausdruck wie vor neun Jahren bei den schrecklichen Kämpfen im Goslarer Gotteshaus. Dabei war Dietbert Goswin in höchstem Maße dankbar dafür, dass er ihn von seinem Vater erlöst hatte, und hätte sich am liebsten gleich in sein neues freies Leben davongeschlichen. Doch Azzo hatte die Ermordung Burchards ebenfalls mit angesehen, und so musste Dietbert wohl oder übel den Schlag gegen Goswin ausführen. Ohne Zweifel hätte der ergebene Diener seines Vaters sonst nicht eine Sekunde gezögert und ihn selbst niedergestreckt, sozusagen als gerechte Strafe für die Feigheit des schwächlichen und verhasstenSohnes, der nicht in der Lage war, den Tod des Vaters zu rächen.
Azzo hatte ihn schon immer verachtet, genau wie sein eigener Vater. Doch nach dessen Tod hatte ein neues Leben für Dietbert begonnen, denn endlich musste er sich nicht mehr verstecken. Die jahrelange Furcht vor seinem Vater und dessen Handlanger hatte ein Ende! Solange er denken konnte, war sein Leben von Angst geprägt. Immer hatte er alles erduldet, Schläge hingenommen, Beleidigungen geschluckt. Einzig der Gedanke, dass er den Tod seines Vaters erleben wollte, hielt ihn aufrecht.
Nachdem Azzo ihn aus dem Gotteshaus gebracht hatte, verschwand der Scherge spurlos, und Dietbert musste bei Otto von Northeim zu Kreuze kriechen. Das gestaltete sich jedoch einfacher als gedacht, denn er brauchte nur alles auf seinen verhassten Vater zu schieben, auf den auch sein Onkel nicht gut zu sprechen war. Nach und nach erschlich er sich das Vertrauen des Grafen, der schon damals die Führungsposition unter den sächsischen Fürsten einnahm. Niemand dort vereinte so viel Macht wie er, der seinerzeit gleichzeitig die Herzogenwürde von Baiern innehatte. Endlich war Dietbert das Glück hold!
Leider hielt es nicht ewig an, denn bald darauf fiel sein Onkel einem Komplott zum Opfer und wurde schließlich vom König geächtet. Das alles nach vielen Monaten der Flucht und unzähligen Kämpfen, bei denen Dietbert zusammen unter anderem mit Magnus Billung, dem Sohn des erst kürzlich verstorbenen Herzogs von Sachsen, an der Seite des Northeimer Grafen das Schwert führte. Zu seinem Glück war Dietbert so unbedeutend, dass der König keinerlei Kenntnis von ihm besaß, und so konnte er, nachdem sein Onkel sich ergeben hatte und mit vielen anderen gefangen gesetzt war, in Freiheit bleiben. Seine Berichte über den sächsischen Widerstandhalfen ihm zu überleben und seinem Onkel und seinen Mitstreitern, den Weg in die Freiheit zu finden.
Am Ende begnadigte der König alle bis auf Magnus Billung, der noch immer in den Verliesen der Hartesburg vor sich hin schmachtete, denn er weigerte sich weiterhin hartnäckig, sein väterliches Erbe an König Heinrich abzutreten. Der Mann war Dietbert egal. Fast war es Ironie des Schicksals, dass Magnus ausgerechnet in der Festung ausharren musste, zu deren Bau einer der größten Feinde der Familie von Magnus geraten hatte: Erzbischof Adalbert von Hamburg und Bremen. Auch Dietberts Onkel musste schmerzliche Abstriche für seine Freiheit hinnehmen, denn der Herzogtitel wurde ihm aberkannt und jemand anderem verliehen.
Das Glück hatte sich Burchards Sohn wieder zugewandt – bis heute! Dietbert wusste um den Einfluss, den Randolf bei Heinrich besaß, aber heute hatte der Ritter keinen Erfolg gehabt, denn der König war bei seinem Entschluss geblieben und hatte seinen langjährigen Vertrauten sogar
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