Die Tochter des Münzmeisters
loslassen.
Nach einem kurzen Ritt hatten sie ihr Ziel erreicht. Randolf vermied es, den Blick auf den Klusfelsen zu richten, wie auch auf die schwarze Ruine, an der sie vorbei mussten. Das, was nach dem Brand von der Wohnstätte der Familie Gottwald von Gosenfels übriggeblieben war, ragte weiterhin als mahnende Anklage in den Himmel. Anscheinend hegte niemand die Absicht, dort erneut ein Wohnhaus zu errichten, zumal es königliches Lehen war. Allein die Mauer, die die verkohlten und eingefallenen Reste umschloss, wies viele Stellen auf, an denen Steine fehlten, die nun höchstwahrscheinlich in anderen Häusern verbaut waren. Zudem war der Ort näher an die Ruine herangerückt, die damit jetzt praktisch kurz vor seinen Toren lag.
Gleich darauf passierten die beiden Reiter die Befestigungsanlagen, denn der Ort war in den letzten sechzehn Jahren weiterhin gewaltig gewachsen. Gottwalds Vision einer Schutzanlage hatte sich durch die Bedrohung der sächsischen Fürsten vor zwei Jahren erfüllt. Zwar gab es keinen Mauerring, wie es dem damaligen Vogt vorgeschwebt hatte, dafür umfasste eine mächtige Wallanlage mit Planken sämtliche Häuser. Nachdem sie den Pfalzbezirk betreten hatten, saßen sie ab und übergaben die Pferde einem herbeieilenden Jungen, der die Tiere zum nahen Stall brachte.
Es herrschte reges Treiben, was sicher auch damit zu tun hatte, dass der angekündigte Besuch des Königs unmittelbar bevorstand.
»Sieh dich ruhig ein wenig um. Ein Stück weiter die Straße runter befindet sich der Marktplatz. Dort gibt es auch eine gute Schänke mit kühlem Bier. Ich werde später nachkommen«, wies Randolf seinen Begleiter an, als sie nach wenigen Minuten das Haus des Münzmeisters erreicht hatten.
Folkmar stutzte, da er davon ausgegangen war, seinen Freund begleiten zu dürfen, aber dann nickte er zustimmend, denn die Aussicht auf ein kühles Getränk lockte ihn bei der Hitze.
Randolf sah ihm noch einen Augenblick nach und klopfte dann an die wuchtige Holztür. Es dauerte nicht lange, bis er schlurfende Schritte hörte, die sich langsam dem Eingang näherten, und gleich darauf stand er einer betagten Frau gegenüber, deren Augen bei seinem Anblick aufleuchteten.
»Herr Randolf, welch eine Überraschung! Wir haben noch nicht so früh mit Euch gerechnet. Seid Ihr mit dem König angekommen?«
Der Ritter beugte sich hinunter, um sie zu umarmen. »Das hättest du sicherlich gehört, Waltraut, denn der König wird ganz bestimmt nicht leise hier erscheinen.«
Die grauhaarige Frau trat einen Schritt zur Seite, um den Besucher hereinzulassen. »Ach, Herr Randolf, ich höre doch fast überhaupt nichts mehr. Hätte Albrun mich nicht in die Seite geknufft, würdet Ihr hier noch immer stehen.«
Zum ersten Mal seit dem gestrigen Abend erhellte ein Lachen Randolfs Gesicht, und er legte beide Hände auf die Schultern Waltrauts. Vor vielen Jahren war sie alsAmme für die kleine Hemma ins Haus gekommen und gehörte seitdem zur Familie. Sie hatte die vierzig lange überschritten und ihren Mann vor über fünfzehn Jahren begraben müssen. Trotz aller Schicksalsschläge stand sie unerschütterlich weiterhin zur Familie Gosenfels, wozu sie selbstverständlich auch den Münzmeister Clemens, den Mann der verstorbenen Hemma, zählte.
»Geht es dir gut?«, fragte Randolf besorgt, denn die einst kräftige Frau mit ihrem runden, freundlichen Gesicht erschien ihm bei jedem seiner Besuche magerer.
Verlegen nickte Waltraut unter dem prüfenden Blick und druckste ein wenig herum. Randolf, der ihre Unbehaglichkeit spürte, nahm seine Hände herunter. Schließlich antwortete sie ausweichend: »Mir geht es schon gut, doch mit ansehen zu müssen, wie die edle Frau Edgitha immer schwächer wird, das macht mir schon arg zu schaffen, Herr. Auch der Münzmeister sorgt sich sehr um die Mutter seiner verstorbenen Frau. Aber jetzt folgt mir bitte, denn Ihr wollt sicherlich den Herrn Clemens sprechen.«
Während Randolf ihr in den hinteren Bereich des Hauses nachging, versuchte er seine Gedanken zu ordnen, denn er hatte gehofft, Henrikas Großmutter Edgitha könne ihm bei der Lösung seines Problems helfen. Nun musste er abwarten, wie schlecht es Gottwalds Witwe ging. Nachdem auf Waltrauts Klopfen die Aufforderung zum Eintreten ertönte, öffnete sie die Tür zur Münzwerkstatt und ließ Randolf hinein.
Der Raum hatte sich in den letzten Jahren stark verändert, denn Clemens hatte wegen des erhöhten Arbeitsaufkommens einen Raum an die
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