Die Tochter des Münzmeisters
Rückseite des Wohnhauses angebaut, der zu Waltrauts Leidwesen ihren geliebten Kräutergarten verkleinert hatte. Die alte Werkstatt erinnerte mit ihrer Einrichtung noch immer an denfrüheren Münzmeister. Friedebrecht, Clemens’ Vater, war ein fähiger Kaufmann und ehrenwerter Handwerker gewesen, der fast immer ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen getragen hatte.
Von hier führte ein Durchgang zu dem angebauten Teil, in dem vor allem die Arbeitsgänge des Schmelzens und anschließenden Probierens erfolgten. Dafür gab es einen Muffelofen, in dem der Meister das von den Schmelzhütten des Bergedorfs erstellte Brandsilber durch mehrfaches Feinbrennen auf den geforderten Silberfeingehalt brachte. Clemens nannte diesen Anbau seine »Probierstube«.
Randolf entdeckte Henrikas Vater in der alten Münzwerkstatt, wo er an einem großen Tisch saß.
Als der Münzmeister den Besucher erblickte, legte er den Schaber aus der Hand und erhob sich freudig. »Herr Randolf! Wie schön, dass Ihr Zeit für einen Besuch bei uns habt, obwohl wir natürlich fest damit gerechnet haben. Wie geht es Euch? Kommt der König auch schon in dieser Woche?«
Der Ritter erwiderte die freundschaftliche Umarmung des nur sechs Jahre älteren Mannes und antwortete: »Nein, König Heinrich schickt mich mit einer Nachricht für Euch voraus. Er selbst wird wie geplant bis zur nächsten Woche auf der Hartesburg bleiben.«
Sorgenvoll legte Clemens die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich die von ihm in Auftrag gegebene Münze bis dahin zur Anschauung fertig habe. Zwei meiner Arbeiter sind krank geworden, und ich kann so schnell keinen guten Ersatz auftreiben.«
Unter den vier Männern, die dem Besucher beim Eintreten nur einen hastigen Blick zugeworfen hatten, herrschte emsige Geschäftigkeit. Schweißperlen tratenRandolf auf die Stirn, denn zu der Wärme des Tages kam nun auch noch die glühende Hitze des Muffelofens.
»Sorgt Euch nicht, denn so, wie ich Euch kenne, werdet Ihr das Unmögliche möglich machen. Selbst wenn Ihr es nicht bis zur Ankunft Heinrichs schafft, so bleibt er sicherlich länger als eine Woche hier. Außerdem hat meine Botschaft nichts mit Eurem Auftrag zu tun. Können wir ungestört irgendwo miteinander reden, oder habe ich Euch gerade bei einer wichtigen Arbeit unterbrochen? Falls ja, können wir das Gespräch auch später führen.«
Die tiefen Falten, die sich in die Stirn des Münzmeisters geprägt hatten, glätteten sich nur kurzfristig. »Ich war bei Eurem Eintreffen mit der Gravur eines neuen Prägestempels beschäftigt, doch das kann warten, denn ich sehe Euch Eure Ungeduld an. Folgt mir bitte nach oben, dort sind wir ungestört.«
Bevor sie die Werkstatt verließen, gab Clemens einem der Arbeiter, der mit Hilfe einer Stückelschere Schrötlinge aus einem Rohling vorschnitt, noch mit ruhiger Stimme eine Anweisung.
Kurze Zeit später befanden sie sich in dem Raum, in dem sechzehn Jahre zuvor Henrika geboren worden war. Obwohl Randolf es nicht wissen konnte, spürte er instinktiv, dass Clemens in dem ehemaligen Gemach seiner Frau nichts verändert hatte. Mit einem wehmütigen Blick bot der Münzmeister ihm einen Platz an und fuhr sich, während er sich setzte, mit einer zerstreuten Handbewegung durch die braunen, leicht gewellten Haare, die immer ein wenig unordentlich wirkten. Randolf dankte dem Münzmeister dafür, dass er ihm seine Zeit opferte, und setzte sich auf einen der beiden Stühle nahe der Fensteröffnung.
»Darf ich Euch etwas zu trinken bringen lassen? Ihr müsst bei der Hitze durstig sein.«
Randolf schüttelte den Kopf. Obwohl er die vor ihm liegende Aufgabe am liebsten hinausgezögert hätte, sagte ihm die Vernunft, dass es ihm auch nicht helfen würde. »Nein danke, ich habe meinen Durst bereits an einem Bach gelöscht, dessen Wasser wunderbar kühl war. Bevor ich Euch die Botschaft überbringe, wollte ich mich nach Henrika erkundigen. Ist sie wohlauf?«, fragte er ohne weitere Umschweife.
Der Münzmeister, der nichts Seltsames an der Frage fand, erwiderte: »Davon gehe ich aus, denn ich habe sie seit fünf Tagen nicht gesehen. Sie weilt bei ihrem Oheim und seiner Familie. Henrika ist völlig verzaubert von ihrer neuen Base und hat mich dazu überredet, ihre Verwandten eine Woche früher als geplant besuchen zu dürfen.« Dabei umspielte ein belustigtes Lächeln seine Lippen.
Der Ritter seufzte hörbar auf. Erst jetzt änderte sich der Gesichtsausdruck
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