Die Tochter des Münzmeisters
schob und sein Lächeln noch breiter wurde, kamen dessen schlechte Zähne zum Vorschein. Dietbert unterdrückte den Anflug von Abscheu und begegnete dem herzlichen Blick offen.
»Leider ja, König Heinrich hat mir angeboten, dass ich am Hof bleiben kann. Ich dachte, das wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, ihn auf längere Sicht umzustimmen. Natürlich nur, wenn es Euch recht ist.«
Ein leichter Schatten zog über das Gesicht seines Onkels, der aber genauso schnell verging, wie er gekommen war. Während er seinem Neffen zustimmte, überlegte er zum wiederholten Mal, ob er seinem eigenen Verwandten wirklich trauen konnte.
Henrika reagierte nicht sofort auf das zaghafte Klopfen an ihrer verschlossenen Zimmertür. Erst als ihre Großmutter nicht aufgab und ihre Bitten immer drängender klangen, ließ sie die alte Dame eintreten, ging allerdings sofort wieder zu ihrem Platz zurück und setzte sich auf den harten Stuhl, der neben ihrem Bett stand.
»Warum hast du die Decke davorgehängt? Es ist nicht kalt draußen, auch wenn der Regen eine unangenehme Feuchtigkeit ins Haus trägt«, sagte Edgitha, während sie leise die Tür hinter sich zudrückte.
Stoisch blickte Henrika weiter geradeaus auf einen unsichtbaren Punkt an der gegenüberliegenden Wand, wo ihr mit hübschen Schnitzereien verzierter Schrank stand. »Die Decke hängt dort, weil ich es so will. Wenn Euch das Dämmerlicht stört, so steht es Euch frei, zu gehen.«
Edgitha war niemand, der sich von einem einmal gefassten Entschluss so leicht abbringen ließ. Sie setzte sich auf die Schlafstätte ihrer Enkeltochter, so dass immer noch ein wenig Abstand zwischen beiden Frauen blieb, und bemerkte missbilligend, dass Henrika ihre langen Haare nachlässig zu einem Zopf gebunden hatte. Daraus hatten sich bereits mehrere Strähnen gelöst, die ihr nun in leichten Locken über die schmalen Schultern fielen. Das Mädchen trug seine Lieblingskotte aus hellgrünem Stoff, die ihm trotz des einfachen Schnittes sehr schmeichelte.
Henrika, die das Stirnrunzeln ihrer Großmutter falsch deutete, sagte mit einem trotzigen Unterton: »Ich finde, die Farbe passt besonders gut zu meinen Augen, denktIhr nicht auch? Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, an wen sie Euch erinnert. Könnte es sich dabei um Burchhard von Hanenstein handeln?«
Die junge Frau, die nach dem Gespräch mit Humbert eigentlich die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, dass Esiko ihr Vater sein könnte, war sich nach der Äußerung Dietberts nicht mehr sicher. Auch wenn dessen Augenfarbe nicht grün, sondern eher graublau war, konnten die Augen seines Vaters den ihren gleichen. Auch wenn der Sohn es nicht zu glauben schien. Während der letzten Woche hatten sich Verzweiflung und Wut über ihre Unwissenheit abgewechselt. Jetzt begegnete sie dem Blick ihrer Großmutter angriffslustig, obwohl diese, solange sie denken konnte, immer gut zu ihr gewesen war. Plötzlich fiel ihr auf, dass die ältere Frau sich mit den Händen so verkrampft am Bettrand festhielt, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
Noch während Henrikas Blick auf den Händen ihrer Großmutter ruhte, erhielt sie von ihr die erste Ohrfeige ihres Lebens und vernahm starr vor Schreck die Antwort, die ihr den Atem stocken ließ.
»Die Augen dieses Ungeheuers waren dunkel und kalt, und ich werde sie gewiss niemals vergessen! Was dagegen den Stoff betrifft, stimme ich dir aus ganzem Herzen zu, auch wenn mir die Augenfarbe bei deinem Vater damals nicht weiter aufgefallen ist«, sagte Edgitha ruhig und bestimmt.
Mit pochendem Herzen erhielt Henrika in der folgenden Stunde endlich all die Antworten, nach denen sie sich so sehr gesehnt hatte, auch wenn sie äußerst schmerzhaft waren. Als ihre Großmutter schließlich geendet hatte, konnte Henrika ihr ansehen, wie viel Kraft es sie gekostet hatte, denn sie schien mit einem Mal in sich zusammenzusinken.
»Dann gibt es mich also nur, weil meine Mutter es nicht geschafft hat, ihre Lust zu beherrschen, und sich einfach einem dahergelaufenen Pferdeknecht hingegeben hat?«, stieß die junge Frau in ätzendem Tonfall hervor.
Entsetzt riss Edgitha die Augen auf und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein! So habe ich damals auch erst gedacht, aber deine Mutter war schon immer eine sehr starke und eigensinnige Person. Sie sollte die Ehe mit einem Mann eingehen, der ihr nichts bedeutete.« Sie hob abwehrend eine Hand, als sie merkte, dass sich Henrika zu einer Erwiderung anschickte. »Warte bitte
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