Die Tochter des Münzmeisters
und lass mich ausreden! Natürlich ist das nichts Ungewöhnliches, und Hemma hat sich durchaus gefügt, wenn auch murrend und unglücklich. Es war nicht ihre Schuld, dass ihre Gefühle ihr einen Streich spielten. Vielleicht wenn sie ein wenig besonnener gewesen wäre, wer weiß? Wenn du mir nicht glauben willst, dann frag deinen Oheim, der schon immer dein großes Vorbild war. Goswin und Hemma standen sich sehr nahe, er kann dir sicherlich mehr über die Gefühle und Zerrissenheit deiner Mutter erzählen. Leider kann ich dir nicht viel über deinen Vater sagen, da müsstest du dich an Humbert oder vielleicht Herrn Randolf wenden. Beide kannten ihn gut, aber ich weiß, dass ihn alle sehr geschätzt haben – auch dein Großvater, dem Hemma letztendlich ihr hitziges Gemüt verdankte. Mach bitte nicht den gleichen Fehler wie ich, liebes Kind, ich flehe dich an!«
Henrika blieb ihr eine Antwort schuldig, denn mit Humbert hatte sie bereits gesprochen. Davon brauchte ihre Großmutter aber nichts zu wissen, denn die junge Frau wollte nicht, dass der Bergmann Ärger bekam, weil sie durch ihn überhaupt erst auf Esiko gestoßen war. Es war ihr lieber, wenn ihr Vater und Edgitha davon ausgingen,dass Henrika durch Dietbert hinter das wohl gehütete Geheimnis gekommen war.
Schließlich räusperte Edgitha sich umständlich, als müsste sie Zeit gewinnen, und bat Henrika, das Fenster zu öffnen. »Wenn ich es mir richtig überlege, solltest du dich wirklich an Herrn Randolf wenden. Dein Großvater hat damals nach der versuchten Entführung Hemmas beiläufig erwähnt, dass Randolf dabei war, als sie Esiko zusammen mit deiner Mutter gefunden haben.«
Verwirrt blickte Henrika ihre Großmutter an, deren Gesicht von einer Schwermut gezeichnet war, die sie so an ihr noch nicht bemerkt hatte. »Entführung? Ich verstehe nicht ganz.«
»Entschuldige bitte, davon weißt du ja gar nichts. Nachdem Gottwald den Antrag Burchards von Hanenstein abgewiesen hatte, hegte er die Befürchtung, dass Hemma Opfer einer Entführung werden könnte. Damit hätte dieser Widerling zum Schluss doch noch eine Ehe erzwingen können. Deshalb hatte dein Großvater damals auch kein gutes Gefühl, als er Esiko mit der ablehnenden Nachricht zur Burg Hanenstein schickte.«
Henrika riss ihre Augen auf und fragte verwundert: »Esiko hat die Botschaft überbracht?«
Edgitha nickte betrübt. »Der entsetzte Schrei deiner Mutter klingt mir noch immer in den Ohren, als Esiko endlich zurückkehrte. Ich selbst habe ihn gar nicht gesehen«, bekannte sie leicht verschämt, »doch er muss schrecklich zugerichtet gewesen sein. Gottwald war furchtbar aufgebracht. Nicht nur wegen der Misshandlungen, sondern auch wegen dem unangemessenen Verhalten deiner Mutter. Da hat er übrigens zum ersten Mal Verdacht gehegt und später auch mit mir darüber gesprochen. Aber wir wollten es beide wohl nicht wahrhaben.«
Edgitha machte eine kleine Pause, während ihr Blick sonderbar leer einen unsichtbaren Punkt an der Wand fixierte, und Henrika wagte nicht, sie zum Weiterreden aufzufordern, aus Angst, die fast magische Atmosphäre zu zerstören. Der laute Ruf eines der Wachposten, die den Zugang zum Pfalzgelände strengstens bewachten, drang zu ihnen hoch und brachte die beiden Frauen zurück in die Gegenwart. Erst jetzt merkte Henrika, dass sie zwischen ihren zusammengepressten Händen eine der beiden schmalen, blassen Hände ihrer Großmutter hielt. Erschrocken lockerte sie den Griff und sah Edgitha entschuldigend an, doch die schien kaum etwas von dem Schmerz gespürt zu haben.
Dann sprach sie weiter. »Gottwald hat Hemma aus diesem Grund verboten, alleine auszureiten. Sie war schon immer ein kleiner Sturkopf, deshalb hätten wir es besser wissen müssen«, bekannte sie, während die Andeutung eines schwachen Lächelns über ihr Gesicht huschte, das aber gleich wieder verschwand. »Es war ein schlimmes Ereignis für uns alle damals, ja, im Nachhinein könnte man es fast als Omen für das werten, was noch kommen sollte. Der Pferdeknecht, unser treuer Udolf, starb ein paar Tage später. Hemma hat sich das wohl nie verziehen. Sie war danach wie verwandelt, ihre Stille und Zurückgezogenheit waren fast schon beängstigend. Aber so war sie eben, immer extrem in allem, was sie tat!«
Henrikas Gesicht glich einer Maske, als sie mit eisiger Stimme erwiderte: »Wieso hat der Münzmeister mir nie von Esiko erzählt?«
Wieder schreckte Edgitha zurück, doch dann wies sie ihre Enkeltochter
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