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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Henneberg
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beiden ein Stück begleitet, doch das war in der gegenwärtigen Lage undenkbar. Nachdem sie eine Weile unruhig in ihrem Zimmer auf und ab gegangen war, fiel ihr plötzlich Herwin ein. Vor lauter Grübeln über das viele Neue, das sie erfahren hatte, hatte sie den Sohn von Betlindis völlig vergessen! Sieschnappte sich ihr Tuch und überlegte, ob sie zuerst bei seiner Mutter nachsehen sollte, überlegte es sich dann aber spontan anders und lief direkt in den Stall.
    Das Tor stand offen, und gerade als Henrika nach dem Jungen rufen wollte, hörte sie ein leises Flüstern von der hinteren Ecke des Stalls. Obwohl sie sich sicher war, dass die Stimme Herwin gehörte, machte sie der verschwörerische Ton stutzig, und so schlich sie leise über den festgestampften Boden. Als das leise Lachen des Jungen zu hören war, hielt Henrika inne und beschloss, nun doch zu rufen, aber just in diesem Augenblick erklang das undeutliche Gemurmel eines Mannes, und der Name erstarb auf ihren Lippen. Sie wusste genau, dass ihr die beiden Jungen und der Pferdeknecht, die sich um die Tiere kümmerten, auf dem Hof begegnet waren. Betlindis’ große Sorge war immer schon gewesen, dass Herwin, dem die Furcht vor Unbekannten fremd war, dadurch eines Tages in Schwierigkeiten geriete.
    Das Stroh raschelte leicht, als Henrika vorsichtig weiterging, und die leise Stimme des Jungen war jetzt deutlicher zu hören, obwohl sie nach wie vor kein Wort verstand. Endlich hatte sie die letzte Box erreicht und erstarrte. Herwin hockte mit vergnügtem Gesichtsausdruck auf einem der Strohballen, und vor ihm, mit dem Rücken zu Henrika, saß ein Mann, dessen Gestalt von einem Umhang mit Kapuze verhüllt war. Da bemerkte der Junge die junge Frau und strahlte, aber noch bevor er etwas sagen konnte, schritt sie zur Tat.
    »Wer seid Ihr, und was wollt Ihr hier?«, fragte Henrika mit schneidender Stimme, der ihre Furcht nicht anzumerken war, während sie nach der Heugabel griff, die neben ihr an der Wand lehnte.
    Der Mann drehte sich betont langsam um, so dass Henrika inzwischen den Stiel des Arbeitsgeräts mit beidenHänden gepackt hatte und ihn auf den Fremden gerichtet hielt. Ihre Augen wurden immer größer, als sie unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze Randolf erkannte.
    »Ihr, aber ich wusste nicht, verzeiht …«, stammelte Henrika, ohne den Blick von ihm zu nehmen. Er wirkte müde und ungepflegt, die Haare hingen ihm ins Gesicht, und der Bart schien schon länger nicht gestutzt worden zu sein.
    Schließlich zog er sich die Kapuze vom Kopf und brachte ein schiefes Grinsen zustande. »Würde es Euch etwas ausmachen, diese langen Zacken aus meinem Gesicht zu nehmen? Ich bedarf zwar einer gründlichen Haarpflege, doch ziehe ich die kleineren Zacken eines Kammes vor.«
    Flammende Röte überzog Henrikas Gesicht, und sie senkte verlegen die Heugabel.
    »Warum sitzt Ihr hier im Stall herum, anstatt gleich ins Haus zu kommen?«, fragte sie vorwurfsvoll und stellte das hölzerne Arbeitsgerät wieder an seinen ursprünglichen Platz.
    »Herwin hat bei meinem Eintreffen geschlafen, und ich wollte ihn nicht wecken. Es tut gut, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen«, erwiderte er liebevoll und hielt Henrikas unsicheren Blick fest, als wollte er ihr damit sagen, dass das Gleiche auch für sie gelte.
    Die junge Frau, die gerade einigermaßen zu ihrer gewohnten Ruhe zurückgefunden hatte, wich dem Blick aus und betrachtete stattdessen lächelnd Herwin, der auf dem Strohballen herumhüpfte, während er sich an der Hand seines Vaters festhielt. »Da wird sich Eure Gemahlin aber sehr freuen, Herr Randolf. Soll ich sie von Eurer Ankunft unterrichten?«
    Fast unmerklich veränderte sich die Miene des Ritters,dann griff er sich seinen Sohn und nahm ihn auf den Arm.
    »Nicht nötig, wir wollten sowieso gerade hineingehen. Danke, Fräulein Henrika«, entgegnete er kühl.
    Das neckische Grinsen verschwand, und gleich darauf nickte er ihr mit dem gewohnt freundlichen, wenngleich reservierten Gesichtsausdruck zu.
    Der jungen Frau fröstelte, als sie hinter den beiden den Stall verließ. Erst jetzt fiel ihr der Hengst Randolfs auf, der noch immer gesattelt in der Box stand, und sie schalt sich selbst eine Närrin, dass ihr das Tier vorhin nicht aufgefallen war. Sie hörte, wie Randolf hinter ihr dem jungen Clothar, der gerade mit einem Holzkarren voller Stroh um die Ecke bog, freundlich zurief, er möge sich um sein Pferd kümmern.
    Da ertönte die Stimme von Betlindis. »Herwin,

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