Die Tochter des Münzmeisters
Erzählung beendet hatte. Auch er schien noch ganz von dem Ereignis, das er damals teilweise selbst miterlebt hatte und teilweise aus Erzählungen kannte, gefangen zu sein.
Henrika brauchte jetzt erst einmal ein wenig Abstand zu dem Ganzen, deshalb dankte sie ihm leise und wechselte dann ganz bewusst das Thema. Sie berichtete ihm von den Sorgen, die sie sich um Goswin und seine Familie wegen der Warnung von Betlindis’ Vater und nicht zuletzt durch seine eigenen Äußerungen beim Abendessen machte.
Er fuhr sich mit beiden Händen durch die frisch gewaschenen Haare, während sein Blick weiterhin auf ihr ruhte. »Euer Interesse am politischen Geschehen gefällt mir, und ich will nichts von dem beschönigen, was ich vorhin berichtet habe, denn ich halte die Lage für nahezu aussichtslos. Ein kleiner Funke kann genügen, und wir befinden uns mitten im schönsten Krieg mit unseren sächsischen Landsleuten.«
Henrika stutze bei seiner Äußerung und hakte nach. »Ihr sprecht von ›wir‹, wen genau meint Ihr damit? Eure Frau stammt aus einem alten sächsischen Geschlecht!«
Randolfs Miene verfinsterte sich, doch mit fester Stimme entgegnete er: »Mein Platz ist beim König, denn ihm habe ich den Treueid geschworen.«
»Auch wenn die Sache falsch ist, an die er glaubt?«, fragte Henrika zweifelnd.
»Eure Äußerung grenzt fast schon an Verrat, wertes Fräulein, und Ihr solltet vorsichtig sein, wem Ihr so etwas sagt«, warnte Randolf sie, ohne ihre Frage zu beantworten. »Was Euren Onkel betrifft, so hatte ich sowieso vor, morgen zu ihm zu reiten. Ich wollte ihm anbieten, mit seiner Familie hier bei uns zu wohnen, bis sich die Lage wieder entspannt hat«, schloss er und sah Henrika völlig unvermittelt mit einem entwaffnenden Blick an. »Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, wie es Euch geht. Habt Ihr Euch gut eingelebt bei uns? Herwin scheint ja gänzlich von Euch eingenommen zu sein. Auch meineFrau ist glücklich über Eure Anwesenheit«, bemerkte er mit rauer Stimme.
Henrika lief es dabei wohlig über den Rücken. Vielleicht war es die Erwähnung Betlindis’, die sie veranlasste aufzustehen, möglicherweise auch nur die Angst vor dem, was sonst geschehen könnte. »Es gefällt mir sehr gut hier, danke der Nachfrage. Euer Sohn ist ein wunderbarer Junge und Betlindis der reinste Engel. Entschuldigt mich bitte, aber ich bin wirklich sehr müde. Und Ihr seht auch nicht gerade sehr ausgeruht aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
Sie klopfte sich die letzten Strohhalme von ihrer dunkelblauen Kotte und hatte für einen Moment das Gefühl, als wollte Randolf die Hand nach ihr ausstrecken. Aber der Moment verging, ohne dass etwas geschah. Nachdem Henrika ihm eine gute Nacht gewünscht hatte, verließ sie den Stall.
Nachher konnte sie sich nicht mehr erinnern, wie lange sie an ihrer geschlossenen Zimmertür gelehnt hatte, aber als sie Randolfs schwere Schritte auf dem Gang hörte, hielt sie den Atem an. Kurz vor ihrer Tür verlangsamten sie sich und verstummten ein Stück weiter ganz. Einen Augenblick war es totenstill, so dass Henrika glaubte, ihr eigener Herzschlag müsste im ganzen Haus zu hören sein. Beim nächsten Geräusch wusste sie jedoch, ohne nachsehen zu müssen, dass sich die Tür zu dem Gemach von Betlindis öffnete und gleich danach wieder leise schloss.
Die Erkenntnis ließ Henrika mit einem Gefühl der Bitterkeit an ihrer eigenen Tür zurück. Sie wollte nicht selbstlos und ungerecht sein, sondern einfach nur glücklich. Aber das Glück, von dem sie träumte, würde ein Traum bleiben. Traurig legte sie sich zurück auf ihr Bett und weinte sich, wie so oft in den letzten Wochen, lautlos in den Schlaf.
12. KAPITEL
A m nächsten Tag ritten sie erst am Nachmittag los, da Randolf vorher noch auf dem Gut und bei seinen Pächtern nach dem Rechten sehen wollte. Henrika hielt sich von dem Ritter fern, da er immer noch ärgerlich war, weil sie darauf bestanden hatte, mitzukommen. Überhaupt war seine Laune seit dem Frühstück nicht besonders gut, im Gegensatz zu seiner Frau, die förmlich vor Fröhlichkeit sprühte. Und so ritt Henrika zwischen zweien der insgesamt fünf Männer, die als Begleitschutz fungierten, und freute sich darauf, ihre Verwandten so schnell wiedersehen zu können.
Als sie das letzte Waldstück durchquert hatten, hörten sie bereits den Lärm der Angreifer.
Die kleine Gruppe hielt auf Randolfs Handzeichen hin auf der Kuppe des Hügels an, und zwei der Männer erhielten den
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