Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Kampf gestanden, und sie haben alle den Schwur geleistet, für unsere Sache und unseren Anführer zu sterben. Einer von uns ist zehn von denen wert.«
Schweigen entstand. Im Wald heulte eine Eule, lang und tief. Die letzten schrägen Sonnenstrahlen drangen durch die Bäume.
»Sie haben auch Arsenale – vier allein hier in Kagoshima.« Nakaharas Stimme war leise und ernst. »Unsere Waffen sind veraltet, und wir haben auch nicht viel Munition, vergiss das nicht. Sie schlachten uns ab, das sage ich dir. Die Dinge haben sich verändert. Wir sollten uns mit der Regierung in Tokyo ins Benehmen setzen und hoffen, dass sie uns mit Nachsicht behandelt. Die ist nicht so schlimm, wie du denkst. Sie werden Zugeständnisse machen. Du bist Kitaokas Sohn. Die Männer respektieren dich, Eiji, sie werden auf dich hören. Bring sie zur Vernunft. Sag ihnen, sie sollten nicht töricht sein. Es hat doch keinen Zweck, für nichts zu sterben.«
Eijiro konnte kaum fassen, was er da hörte. Das Blut pochte in seinen Ohren, und er ballte die Fäuste so fest, dass er fast den Stiel seiner Pfeife zerbrach. Nakaharas Zynismus war anfänglich amüsant gewesen, aber das ging zu weit. Allmählich klang er wie ein Feigling – oder ein Verräter.
»Nicht so schlimm, wie ich denke?«, zischte er voller Wut. »Sie haben gedungene Mörder auf mich angesetzt. Sie haben meinen besten Freund ermorden lassen. Und du nennst dich einen Samurai? Hat dich der Mut verlassen, oder was? Auf wessen Seite stehst du überhaupt?«
Nakahara nahm einen weiteren Schluck Shochu. »Ich bin ein Kagoshima-Mann, genau wie du. Du musst realistisch sein.«
Eijiro atmete tief durch. Nakahara war tatsächlich ein Kagoshima-Mann, wohingegen Eijiro das nicht war, wie er nur allzu gut wusste. Er passte überhaupt nicht hierher. Das luxuriöse Leben in Tokyo war mehr nach seinem Geschmack. Aber er war der Sohn seines Vaters, daran war nichts zu ändern, dachte er düster.
»Außerdem kriegen wir diesen großen Anführer, deinen berühmten Vater, nie zu sehen«, fuhr Nakahara fort. Also ging es wieder um Eijiros Vater. Nakahara fragte ihn dauernd nach ihm. »Er sollte sich mehr zeigen, um uns anzufeuern. Ich habe ihn noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Inzwischen bezweifle ich, dass es ihn überhaupt gibt.«
Tatsächlich hatte Eijiro seinen Vater seit über drei Jahren nicht mehr gesehen. Kitaoka war auf seinem Landsitz in Hinatayama gewesen, als Eijiro eintraf, und war dann auf einen Jagdausflug gegangen. Eijiro war sich nicht mal sicher, ob sein Vater froh sein würde, seinen Sohn wiederzusehen.
»Was mein Vater macht, geht dich nichts an.«
»Wo ist er denn, Eiji? Wann kommt er zurück?«
Eijiro seufzte. Nakahara redete zu viel und stellte zu viele Fragen. Aber er war Polizist, und Polizisten steckten ihre Nase dauernd in die Angelegenheiten anderer Leute; das war ihr Beruf. Und trotz all seiner empörenden Ansichten war er Eijiros Freund. Zumindest diesmal würde er ihn mit Nachsicht behandeln. »Er ist auf der Jagd«, sagte er. »Du kannst ihn kennenlernen, wenn er zurückkommt. Ich werde dich ihm vorstellen.«
Er nahm einen letzten Zug aus seiner Pfeife. »Wir sollten uns besser auf den Weg machen, bevor jemand merkt, dass wir verschwunden sind. Es wird gleich dunkel.«
Eijiro stand auf, streckte sich und klopfte seine Pfeife an einem Baum aus. Funken flogen in die Dunkelheit. Der Mond ging auf, ein schmaler Lichtstreifen am schwarzen Himmel.
Fledermäuse schwirrten umher, und ein Affe schrie. Ein Zweig knackte, dann noch einer – Hirsche vielleicht. Bären konnten es in diesem Teil des Landes nicht sein. Aber um diese Jahreszeit sollten überhaupt keine Tiere unterwegs sein, dachte Eijiro, selbst im warmen Süden. Dann sah er etwas zwischen den Bäumen glitzern. Augen. Er zuckte zusammen. Da lauerten Menschen.
Fluchend fuhr er hoch. Büsche raschelten, Zweige wurden niedergetrampelt. Schattenhafte Gestalten sprangen aus der Dunkelheit, stürmten über den gefrorenen Boden und fuchtelten mit Stöcken.
»Hier drüben!«, rief eine Stimme. »Wir haben sie.«
»Keine Bewegung!«
Ein schwerer Körper landete auf Eijiro. Er krachte zu Boden und schlug mit dem Gesicht gegen einen Steinhaufen. Er schmeckte Erde und Blut, drehte den Kopf und wehrte sich heftig. Ein Knie wurde ihm in den Rücken gerammt, und jemand zerrte ihm die Arme nach hinten.
»Schweinehund!« Ein Fuß trat ihn in die Seite. Eijiro dankte den Göttern, dass sein Angreifer Strohsandalen
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