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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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fuchtelnd gereckt, als die Männer den Ruf aufnahmen: »Die Fabriken! Die Kais!«
    Sie drängten voran, hunderte Strohsandalen knirschten über den eisigen Boden. Von der Menge eingekeilt, stolperte Eijiro mit ihnen.
    »Hier.« Jemand drückte ihm ein Gewehr in die Hand, und scharfe Augen musterten ihn im Laternenlicht. Ito, ein drahtiger junger Bursche, dessen Haar in Büscheln über dem weißen Stirnband hochstand. »Oh, du bist das, Kitaoka-sama. Hast bestimmt Besseres zu tun, als zusammen mit uns gemeinen Soldaten anzupacken.«
    Eijiro merkte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Er wusste, dass er in dem Ruf stand, sich gern zu drücken, aber heute Nacht wollte er allen beweisen, dass er genauso engagiert war wie alle anderen.
    »Ich bin dabei.« Er packte das Gewehr fester, während die Männer die Laternen löschten und auf die schlafende Stadt zumarschierten. Schritte knirschten, und Atemwölkchen hoben sich in der kalten Luft, als die Männer zu rennen begannen und wie ein göttlicher Wind aus dem Samurai-Bezirk in eines der Städterviertel fegten, durch schmale Gassen huschten, zwischen Wohnhäusern und geschlossenen Läden hindurch, vorbei an Schreinen und Tempeln, Büschen und Bäumen. Sie stapften über eine Brücke und einen felsigen, mit Baumgewirr bestandenen Hügel hinauf und hinunter. Eijiro fluchte, als er über einen Stein stolperte und ihn klappernd in die Dunkelheit schickte. Wie gut, an nichts anderes denken zu müssen, als leise zu sein.
    Am Meeresufer teilten sie sich in Zweier- und Dreiergruppen auf und huschten von Mauer zu Mauer, bewegten sich wie Katzen, blieben im Schatten. Wasser kräuselte sich, schwarz und ölig, und vor Anker liegende Schiffe dümpelten sanft. Der große Vulkan ragte über ihnen auf, seine Aschewolke schob sich vor den Sternenhimmel.
    Abrupt blieben die Männer stehen. Stimmen zischten: »Da. Dort drüben.«
    Im Windschatten des Vulkans ragte ein Schatten auf. Ein weißes Funkeln war kurz zu sehen, und ein leises Platschen ertönte, als etwas aufs Wasser traf. Verwirrt starrte Eijiro in die Dunkelheit. Was dieses Schiff auch sein mochte, es hatte nicht die Form eines Kriegsschiffes. Da waren keine Geschützpforten, also war es kein tief liegendes Panzerschiff. Eher ein solide gebautes Handelsschiff. Aber warum legte es dann so spät an? Und, seltsamer noch, keine Pfeifen ertönten, Glocken oder Gongs. In völliger Stille machte es fest. Wer die Ankömmlinge auch waren, sie wollten nicht gesehen werden.
    »Das ist es. Schnell, lasst uns gehen.«
    Als die Männer den Kai entlangstürmten, rannte Eijiro mit ihnen. Allmählich fragte er sich, was zum Teufel hier eigentlich vorging.
    Am hinteren Ende des Kais befand sich ein massives Steingebäude mit spitzen Dächern und schweren Holztüren. Eijiro packte Itos Arm, als der sich an ihm vorbeidrängte.
    »Was macht ihr hier? Das ist das Marinearsenal.« Ito versuchte ihn abzuschütteln, aber Eijiro hielt das knochige Handgelenk des Jungen fest umklammert. »Das ist Regierungsbesitz. Wir können doch nicht …«
    Jeder wusste, dass die Regierung sämtliche Waffenlager im Land übernommen hatte, bereit zum Einsatz, sobald es den geringsten Hinweis auf Unruhen gab. Die größten Arsenale lagen ausgerechnet in der aufrührerischen Provinz Satsuma. Die Satsuma besaßen die am höchsten entwickelten Waffenfabriken und produzierten mehr Waffen und Schießpulver als alle anderen Clans. Iso lag direkt neben der Sommervilla des Fürsten von Satsuma, von wo aus die Produktion überwacht werden konnte, und war ein Industriekomplex, den der alte Fürst vor mehr als dreißig Jahren errichtet hatte, mit Hoch- und Flammöfen, einem Werk zum Bau von Kanonen sowie Munitionsfabriken. Außerdem wurden dort Chemikalien, Arzneimittel, Glaswaren und Textilien hergestellt.
    Um seine Loyalität gegenüber der neuen Regierung zu beweisen, an deren Einsetzung er beteiligt gewesen war, hatte der jetzige Fürst von Satsuma die Kontrolle über den gesamten Komplex dem Heeresministerium übergeben, das hier zur Bewachung des Waffenlagers ein kleines Truppenkontingent der Marine stationiert hatte. Aber für die waffenhungrigen Rebellen war das Arsenal eine glitzernde Schatztruhe, die regelrecht danach schrie, konfisziert zu werden.
    Doch niemand hatte bisher tatsächlich vorgeschlagen, dort einzubrechen. Das wäre unverhohlene Rebellion, und Eijiro wusste, dass sein Vater seinerseits nicht die Absicht hatte, die Dinge so weit zu treiben.
    »Mach, was

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