Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
verbergen.«
»Ach ja? Was haben Sie dazu zu sagen, Taniguchi?«
Ein Mann trat in den Lichtkreis. Eijiro hatte ihn schon in der Stadt gesehen, ein mürrisch wirkender Bursche mit der flachen Nase und der ledrigen Haut eines Landbewohners. Nakahara zuckte zusammen, als er ihn sah, und seine Wangen nahmen die Farbe von Talg an, doch sein Gesicht blieb von grimmiger Unbewegtheit. Man musste den Schneid des Mannes bewundern, dachte Eijiro.
Taniguchi starrte zu Boden, dann zum Polizeiinspektor, während die anderen Männer näher rückten. Sein Blick huschte umher; er versuchte, dem von Nakahara auszuweichen. Dann sah er ihn direkt an.
»Das ist er, ganz sicher, Herr«, grunzte er. »Hat mir alles erzählt. Alles. ›Komm schon, Taniguchi‹, sagt er. ›Du bist ein Samurai vom Land, genau wie ich. Du weißt, wie diese hochnäsigen Samurai aus der Stadt uns verachten. Warum kriechst du ihnen in den Arsch? Schau dich doch um. Sie haben keine Ausrüstung, keine Munition. Sie haben keine Chance. Sich gegen die Regierung zu stellen, ist Wahnsinn. Der reinste Selbstmord ist das. Ich sag dir was – tu was Gutes für dich. Arbeite für dein Land. Warum willst du gegen den Kaiser kämpfen? Schließ dich mir an, hilf mir, diese Verrückten zum Aufgeben zu überreden. Dein Schaden wird es nicht sein.‹ ›Du machst wohl Witze‹, sag ich. ›Ich bin kein Verräter.‹ ›Du kannst mir vertrauen. Wir sind alte Kumpel‹, sagt er. ›Ich habe Freunde an hoher Stelle. Du wirst gut belohnt, dafür sorge ich.‹«
Eijiro bekam ein mulmiges Gefühl. Keine Ausrüstung, keine Munition. Genau das hatte Nakahara auch zu ihm gesagt. Aber etwas anderes setzte ihm noch mehr zu. Warum hatte Nakahara sich so für Eijiros Vater interessiert? Warum war er so begierig darauf gewesen, ihn kennenzulernen? Welcher Plan steckte dahinter?
»Ich kenne diesen Mann nicht«, protestierte Nakahara. Trotz all seiner Tapferkeit klang seine Stimme nervös. »Er ist ein Unruhestifter. Warum glauben Sie ihm und nicht mir?«
Er blickte zu Eijiro, als flehte er ihn an, sich für ihn einzusetzen. Plötzlich überkam Eijiro eine solche Wut, dass er kaum mehr wusste, wo er war.
»Schweinehund!«, brüllte er. »Du hast mich zum Narren gehalten.«
Er sprang auf die Füße, riss sich los, stürzte auf Nakahara zu und schlug mit aller Kraft auf ihn ein. Blut spritzte über seine Faust und seinen Arm, als die Nase des Mannes unter dem Hieb brach. Eijiro hob die Hand, um erneut zuzuschlagen, und ließ sie dann sinken.
»Tun Sie Ihre Arbeit, Inspektor.« Er merkte, wie seine Stimme zitterte.
Niemand versuchte ihn aufzuhalten, als er sich mit brennendem Gesicht abwandte und blindlings auf die Schulgebäude am Fuße des Hügels zustolperte. Er ballte die Fäuste und fluchte laut. Er hatte Schande über sich gebracht, aber schlimmer, viel schlimmer, er hatte Schande über die Familie und seinen Vater gebracht, war geprüft und für nicht gut genug befunden worden. Jetzt blieb ihm nur noch, sich den Bauch aufzuschlitzen – oder eine andere Möglichkeit zu finden, sich reinzuwaschen.
24
Eijiro bahnte sich einen Weg durch den Wald. Der letzte Ort, an dem er sein Gesicht zeigen wollte, war die Schule. Doch nur allzu bald wurde das Geäst spärlicher, und er kletterte hinab auf das Übungsgelände. Wut und Scham summten so laut in seinen Ohren, dass er an nichts anderes denken konnte.
Das Gelände war voller Männer, so dicht zusammengerückt, dass Eijiro kaum die schattenhaften Mauern der Gebäude ausmachen konnte. Alle waren wie Krieger gekleidet, die sich zur Schlacht bereit machen, die Ärmel zurückgebunden, Hakamas hochgezogen und weiße Bänder um die Stirn gewickelt. Laternenlicht funkelte auf Pistolen, Gewehren, Äxten und Brechstangen, Stimmen murmelten, leise und angespannt. Wie immer überragte Eijiro die meisten. Er blickte in Gesichter, fragte sich, ob die Versammlung etwas mit Nakahara und dessen Verrat zu tun hatte. Wenigstens waren es nicht die Männer vom Hügel. Die waren immer noch mit Nakahara da oben. Niemand hier wusste von seiner Entehrung – noch nicht.
Ein Kopf ragte aus der Menge auf und ließ einen leidenschaftlichen Wortschwall vom Stapel. Eijiro war noch so mit seiner Demütigung beschäftigt, dass er nicht darauf achtete, was der Mann sagte oder ob er dessen Stimme überhaupt erkannte. Verärgerte Rufe und zustimmendes Brüllen ertönten, dann grölte jemand: »Nach Iso! Zu den Fabriken, zu den Kais!« Fäuste und Gewehre wurden
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