Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
trug. Wenn es ein harter Lederstiefel gewesen wäre, hätte er ihm die Rippen gebrochen.
»Verräter, verdammte Verräter!« Ein weiterer Fußtritt traf ihn.
Verräter? Keuchend vor Schreck merkte er, dass er die Stimmen erkannte. Das waren ihre eigenen Männer, einige aus ihrer Schule. Benommen versuchte er, seine Gedanken zu sammeln. Er musste herausfinden, was hier vorging und wie er sich da rauswinden konnte – und das schnell.
Schritte knirschten, Licht flackerte. Weitere Männer waren eingetroffen.
»Zwei haben wir erwischt, Herr. Kann nicht erkennen, ob er es ist oder nicht.«
Grobe Hände zerrten Eijiro auf die Knie. Sein Schreck verwandelte sich augenblicklich in Wut.
»Wisst ihr denn nicht, wer ich bin?«, schnauzte er. Licht schimmerte auf, und der Geruch einer Talgkerze stieg ihm in die Nase, als eine Laterne vor seinem Gesicht geschwungen wurde. Er drehte den Kopf weg und blinzelte geblendet. Zischend sogen die Männer Luft zwischen den Zähnen ein.
»Kitaoka-dono«, stammelte einer, benutzte die höflichste Anrede, die nur den Höchstrangigen vorbehalten war. »Ah. Tut mir leid, tut mir leid.«
Die Männer lockerten ihren Griff, hielten Eijiro aber immer noch zurück, nicht grob, sondern sanft, als wäre er ein wertvolles Wildtier, das sie gefangen hatten.
»Wie könnt ihr es wagen, mich so zu behandeln! Ich wollte doch nur in Ruhe ein Pfeifchen rauchen. Habt ihr nichts Besseres zu tun, als euren Mitschülern nachzuspionieren?«
Niemand beachtete ihn. Nakahara war ein Stück entfernt, auf den Knien, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Schatten bewegten sich, als Laternen vor seinem Gesicht geschwungen wurden. Augen funkelten anklagend im gelben Licht.
»Das ist er, ganz bestimmt.«
»Du hast dich eingeschlichen, du Schweinehund!«, rief einer der Männer, beugte sich zu Nakahara hinab und brüllte ihm ins Ohr. »Du hast uns belogen. Du dachtest, du könntest uns zum Narren halten.«
»Gesteh, du Dreckskerl. Für wen arbeitest du? Was treibst du hier?«
»Ja, was treibst du hier?«
Dann riefen sie alle durcheinander, ihr Kagoshima-Dialekt so breit, dass Eijiro Mühe hatte, sie zu verstehen. Er brüllte über den Lärm hinweg: »Was geht hier vor? Wartet, bis mein Vater davon erfährt! Dafür werdet ihr büßen, das verspreche ich euch!«
Plötzlich trat Stille ein. »Ganz recht«, höhnte eine einzelne Stimme. »Warte nur, bis dein Vater davon erfährt!«
Eijiro wollte sich losreißen, als die Männer sich über Nakahara hermachten, ihn traten, auf ihn einhieben und ihm Schläge mit dem Stock versetzten. »Gesteh, gesteh. Was treibst du hier? Warum bist du so scharf auf Kitaoka-dono?«
Nakahara verzog das Gesicht, gab aber keinen Laut von sich. Eijiro bemerkte es mit Genugtuung. Wenigstens wusste sein Freund, wie ein Samurai sich zu verhalten hatte, ganz im Gegensatz zu diesen Rüpeln.
Ein dürrer Fünfzehnjähriger, mit dem Eijiro in der Küche arbeitete, holte mit der Faust aus, die Augen schmal und den Mund boshaft verzogen, und hieb Nakahara voll auf das Ohr. Der Hieb warf ihn zur Seite. Die Männer zogen ihn auf die Knie zurück. Erschrocken schnappte Eijiro nach Luft, als er im Lampenlicht einen Blick auf das Gesicht seines Freundes erhaschte. Nase und Mund waren blutig, und ihm fehlte ein Zahn. Er spuckte Blut aus und schüttelte sich. Mit finsterem, trotzigem Gesicht richtete er sich auf.
»Sucht euch jemand anderen, den ihr traktieren könnt. Ich habe nichts Falsches getan«, knurrte er.
»Zäher Bursche, was?« Ein Mann stand im Schatten, die stämmigen Arme verschränkt. Eijiro erkannte seine breiten Schultern und das zerklüftete Gesicht – Oberinspektor Makihara, der Polizeichef. Ihm wurde kalt. Sie waren wirklich in Schwierigkeiten, wenngleich ihm immer noch völlig unklar war, worum es hier eigentlich ging. »Sie kommen mit uns, Nakahara«, sagte der Inspektor. »Sie können uns erzählen, was Sie hier treiben, oder wir können Sie zum Reden bringen. Das liegt ganz bei Ihnen.«
»Er hat nichts Falsches getan.« Eijiro hatte beschlossen, dass es an der Zeit war, sich einzumischen. »Er ist ein treuer Soldat. Ich kann für ihn bürgen.«
»Bei allem Respekt, Kitaoka-dono, dieser Mann hat Sie hinters Licht geführt. Er ist ein Verräter. Er ist ein Regierungsagent. Wir müssen genau herausfinden, was er hier treibt.«
»Sie machen einen Fehler«, murmelte Nakahara und biss die Zähne zusammen, als ihn ein weiterer Fußtritt in die Rippen traf. »Ich habe nichts zu
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