Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
brauchten die ganze Nacht, um ihn zum Reden zu bringen, doch am Ende haben wir ein Geständnis von ihm bekommen.«
»Der wird nicht so bald wieder laufen können«, sagte einer der anderen Männer mit einem Grinsen, das einen Mund voll schiefer Zähne freilegte. »Das ist mal sicher.«
Eijiro seufzte erleichtert. Also würden sie nicht darüber reden, wie und wo sie Nakahara gefunden hatten.
»Eine ganze Reihe neuer Polizeirekruten haben sich als Spione erwiesen«, berichtete der Chefinspektor in förmlichen Ton. »Sie haben die Hälfte der Schulen infiltriert. Wir haben sie von Anfang an verdächtigt, dann haben meine Männer die von ihnen geschickten Nachrichten abgefangen. Sie haben über das berichtet, was wir hier machen, und im Gegenzug Instruktionen aus Tokyo erhalten. Einer hat gestanden, dass genau in dieser Nacht ein Regierungstransport eintreffen sollte, getarnt als Handelsschiff mit ziviler Mannschaft. Ihre Aufgabe war es, Waffen aus dem Regierungsarsenal abzutransportieren. Zum Glück kamen unsere Männer ihnen zuvor.«
Der General nickte. Der Oberinspektor wartete mit respektvoll gebeugtem Kopf, dass er das Wort ergriff.
»Und dieser Nakahara, was hat er Ihnen erzählt?«
»Er hat ein schriftliches Geständnis abgelegt, Herr. Sie wurden von der Regierung geschickt, um unsere Bewegung mit allen Mitteln zu unterbinden. Sein Befehl lautete, Sie zu ermorden, Herr, wenn das dazu nötig war.«
Eijiro schauderte vor Entsetzen. Also deswegen war Nakahara so begierig gewesen, sich mit ihm anzufreunden, deswegen hatte er ein solches Interesse an Eijiros Vater und dessen Aufenthaltsort gezeigt. Er hatte geplant, Eijiro zu benutzen, um nahe an den General heranzukommen – nahe genug, um ihm ein Schwert in den Bauch zu rammen oder ihn zu erschießen. Und Eijiro war drauf und dran gewesen, ihn dem General vorzustellen. Er atmete schwer. Er würde Nakahara mit bloßen Händen erwürgen, sollte er die Gelegenheit dazu bekommen.
Die jungen Männer sprangen auf und griffen nach ihren Schwertern. Sie blickten zu Eijiros Vater auf, als wäre er ein Gott. Eijiro sah ihnen an, dass sie mit Freuden für ihn sterben würden.
»Ich hänge nicht so sehr an meinem Leben«, sagte General Kitaoka. »Sie können mich töten, wenn sie wollen.« Er verzog das Gesicht, als er das Dokument überflog, das der Inspektor ihm gereicht hatte. »Mein alter Freund Okubo«, murmelte er. »Wir sind zusammen aufgewachsen, haben Seite an Seite gekämpft – und nun unterzeichnet er mein Todesurteil.«
Eijiro bemerkte, dass sein Vater älter aussah, abgehärmter als vor drei Jahren bei ihrem letzten Zusammentreffen. Seine Wangen waren ein bisschen schlaffer, und graue Strähnen zogen sich durch sein geöltes Haar.
»Wir werden diese Männer unverzüglich hinrichten, Herr. Wir warten nur auf Ihre Einwilligung.«
»Polizisten hinrichten? Sie haben nur ihre Arbeit getan. Sperrt sie ein und lasst sie in Ruhe. Wir haben wichtigere Dinge zu bedenken. Die wahren Verbrecher sind die Politiker in Tokyo, die darauf aus sind, uns und unsere Lebensart und alles, für das wir stehen, zu zerstören.« Er blickte sich unter den Jugendlichen um. Einen Moment lang zeigte sich ein leicht verwirrter Ausdruck auf seinem Gesicht. Dann runzelte er die Stirn, als hätte er eine Entscheidung getroffen. »Ich habe diese Schulen gegründet, ich habe euch dazu ermutigt, euch als Krieger ausbilden zu lassen. Und jetzt werde ich euch führen. Die Würfel sind gefallen. Es gibt kein Zurück.«
26
Die alten Stufen knarrten, als Taka ihre Röcke raffte, die steile Treppe hinaufrannte und dabei immer zwei Stufen auf einmal nahm. Sie sauste durch den Raum im Obergeschoss, wirbelte nach Reisstroh riechenden Staub von den abgetragenen Tatamimatten hoch, öffnete die Schiebetür und lehnte sich über das wacklige Balkongeländer.
Unter ihr, auf der von Lampions erhellten Gasse, trippelten Geishas in kunstvollen, festlichen Kimonos mit langen, schwingenden Ärmeln, umhüllt von Moschusparfüm und Bintsuke-Öl, der Pomade, mit der sie ihre Frisuren fixierten. Sie blickten hoch, verbeugten sich, lächelten und gurrten Begrüßungen, alle so glanzvoll wie die Geishas aus Kyoto, die Taka gekannt hatte. Ihre neue Geisha-Freundin, die sechzehnjährige Toshimi mit ihrem perfekten ovalen Gesicht und dem Gebaren großäugiger Unschuld, neigte im Vorbeigehen den Kopf und warf die gerüschten Röcke ihres westlichen Kleides zurück. Jungen drängten sich vorbei, beladen mit
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