Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Seemanns kippte nach hinten, während sein Körper weitertorkelte und dann zusammenbrach.
Schwer atmend legte Eijiro das Gewehr an. Ein vierter Seemann näherte sich, ein dürrer Jugendlicher mit kurz geschorenem Haar und dem bleichen, unterernährten Gesicht eines Mannes aus dem Norden. Mit einem Blick erfasste er Eijiros direkt auf ihn gerichtetes Gewehr. Er schien kurz zu erstarren, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte davon.
Ito war es gelungen, noch weitere Feinde zu erledigen. Eijiro wischte sich die Stirn und grinste. Die vielen Fechtübungen waren doch nicht umsonst gewesen. Es war schon zu lange her, seit er die Möglichkeit gehabt hatte, sein Schwert ernsthaft einzusetzen.
Mit hämmernden Schritten stießen weitere Satsuma-Männer über den Kai zu ihnen. Verächtliche Rufe hallten über das Wasser, als die Seeleute zu ihren Barkassen flohen und so wild zu rudern begannen, dass die Gischt aufspritzte. Die Rebellen warteten mit schussbereiten Gewehren, bis die letzte Barkasse in der Dunkelheit verschwunden war, das Schiff den Anker lichtete, wendete und aus der Bucht glitt.
25
Die Sonne ging hinter dem Vulkan auf und warf tiefe Schatten über ihn, während die Männer die letzten Waffenkisten aufluden. Der Abtransport war die ganze Nacht fortgesetzt worden. Die Männer hatten Packpferde zum Ziehen der Karren gefunden und die Kisten sogar in Rikschas gestapelt. Einige Schüler beluden Boote und brachten die erbeuteten Waffen zu dem riesigen Somuta-Arsenal tief in einem Tal hinter der Stadt.
Eijiro richtete sich auf, fuhr sich mit dem schmutzigen Arm über das Gesicht und schaute über die Bucht zu der zerklüfteten Silhouette des Vulkans, über dem eine träge Aschewolke hing. Seine Muskeln schmerzten, er war von Kopf bis Fuß schwarz von Staub und Schießpulver, der Vulkanschotter hatte seine Strohsandalen zerfetzt, und doch war er noch nie im Leben so glücklich gewesen.
Die Schüler hatten sich durch kleine Gassen zum Hafen geschlichen, aber jetzt nahmen sie die Hauptstraße, fuchtelten mit ihren eroberten Gewehren und rollten Karren voll gestohlener Munition. Als sie durch die Stadt kamen, traten Menschen aus Häusern und Geschäften, gegen den bitteren Wind in gefütterte Jacken gehüllt. Erstaunt starrten sie auf die übermütige Horde und begannen zu lachen und zu jubeln. Immer mehr tauchten auf, drängten sich zwischen den Bäumen, spähten aus den Häusern und Ladenfronten und feuerten die Männer an.
Die marschierenden Jugendlichen trafen auf Gruppen aus anderen Schulen. Auch sie waren mit Gewehren und Munition beladen, und manche zogen Geschütze, die sie aus anderen Waffenlagern der Regierung gestohlen hatten. Immer mehr kamen hinzu, bis sie die ganze Stadt füllten und Seite an Seite marschierten.
Eijiro befand sich in der Mitte der Menge, genauso verschwitzt wie seine Kameraden, und brüllte aus voller Kehle, berauscht von Stolz und Freude. Dann verspürte er einen Anflug von Furcht. Er verstummte. In all der Aufregung hatte er es völlig vergessen. Sein Vater wusste nichts von all dem hier und würde alles andere als erfreut sein, wenn er es erfuhr.
Er hieb mit der Faust in die Luft und stieß einen Schrei aus, aber sein Schritt wurde weniger federnd. Der Gedanke ließ sich nicht verdrängen. Sie hatten ein Ungeheuer entfesselt, hatten etwas in Bewegung gesetzt, das sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
Bei den Stallungen hatten die Schüler eines der Gebäude in ein Arsenal verwandelt. Sie fügten ihre Waffen den bereits vorhandenen hinzu. Einer der Männer führte eine Bestandsaufnahme durch: achtundzwanzig 5,28-mm-Gebirgsgeschütze, zwei 15,84-mm-Feldhaubitzen, dreißig verschiedene Mörser und 60 000 Schuss Munition. Und das war nur ihr Arsenal. Es gab noch viele andere. Jede Schule hatte ihr eigenes. Damit konnten sie sich für lange Zeit verteidigen.
Eijiro war ausgehungert und freute sich aufs Frühstück. Er hatte gerade das Übungsgelände betreten, als er Männer durch das Tor kommen sah. Wie angewurzelt blieb er stehen. Seine Mitschüler fielen auf die Knie und drückten ihre Nasen in den Schotter.
Eijiro hielt den Kopf gesenkt, als sich schwere Tritte näherten. Beim Aufschauen sah er in zwei grimmige schwarze Augen, die auf ihn hinunterstarrten. Er schluckte. »Vater.«
»Erdbeben, Donner, Feuer und der Vater – die furchterregendsten Dinge der Welt, und das furchterregendste von allen ist der Vater.« Dieser Spruch fiel ihm ein, und er zitterte, als er
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