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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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die geringste Ahnung, wohin sie gehen sollten. Schließlich hatte Fujino mit ihrem Geisha-Instinkt die Sache in die Hand genommen. Sie hatte Rikschas angefordert, um sie in den Bezirk der Städter zu bringen, und dort ein Zimmer im besten Gasthaus gefunden, dem Tawaraya. Ein paar Tage später waren sie in das Haus in Daimonguchi gezogen, einem der beiden Vergnügungsviertel der Stadt.
    Zuerst hatten Fujino und ihre alte Freundin Kiharu, die mit ihnen gekommen war, ständig über den jähen Absturz ihrer Lebensbedingungen geklagt. Doch nach ein paar Tagen hatten sie entdeckt, dass die meisten Kurtisanen und Geishas aus Kyoto oder Osaka stammten, hierher verschifft von den Clan-Fürsten, die begierig darauf waren, die Vergnügungsviertel ihrer fernen Stadt im Süden mit hochklassigen Frauen zu bevölkern. Sie trafen sogar ein paar alte Freundinnen wieder und fühlten sich schon bald vollkommen zu Hause. Die beiden genossen es, zurück in der Welt der Blumen und Weiden zu sein, wie sich die Geisha-Gemeinschaft nannte. Unter den Geishas waren selbst Fünfzehnjährige Expertinnen im Tändeln, Necken und Einschätzen der Männer. Fujino und Tante Kiharu beteiligten sich bald am endlosen Tratschen über andere Geishas, Feste, bei denen sie gewesen waren, und Männer, die sie kannten.
    Obgleich Taka immer wieder die Straße hinauf und hinunter blickte, war von dem Gesicht, nach dem sie Ausschau hielt, nach wie vor nichts zu sehen. Sie seufzte. Sie war sich so sicher gewesen, dass er kommen würde – ihr geliebter Vater, an diesem besonderen Abend, bevor er morgen bei Tagesanbruch in den Krieg aufbrach.
    Dann fiel ihr ein Mann auf, der schüchtern zu ihr heraufspähte. Ein junger Samurai, der oft vor ihrem Haus stehen blieb. Taka hatte sich daran gewöhnt, dass diese Burschen sie mit großen Welpenaugen anglotzten, wenn sie sich zeigte, doch der hier war der beharrlichste von allen.
    An den geschlossenen Türen und dem Fehlen einer Außenlaterne war ersichtlich, dass es sich bei ihrem um einen privaten Wohnsitz handelte, nicht um ein Geisha-Haus, und obwohl sie ihre Verbindung zu General Kitaoka nie erwähnten, hatte es sich anscheinend herumgesprochen. Nachrichten verbreiteten sich hier schnell. Die Tatsache, dass Taka die Tochter des Generals war, machte sie noch begehrenswerter, gleichzeitig jedoch völlig unerreichbar.
    Dessen ungeachtet merkte sie, dass sie an diesem Tag den Jungen, der zu ihr hinaufschaute, freundlicher betrachtete. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, und sie errötete und zog sich rasch hinter die Schiebetür zurück.
    Als sie wieder hinuntersah, kam eine Gruppe von Männern aus den Schatten am fernen Ende der Straße und marschierte zielstrebig auf das Haus zu. Die meisten waren bewaffnet, Taka sah ihre Gewehre und Schwerter. Ein Rudel Jagdhunde wuselte hinter ihnen her. In der Mitte ging ein Riese von einem Mann, der alle anderen überragte. Menschen wichen respektvoll beiseite, als er vorbeikam, oder traten vor, um sich zu verbeugen und ihn zu begrüßen. Taka nahm einen kantigen Kopf mit kurz geschorenem Haar wahr, einen bulligen Hals und kräftige Schultern, und sie erkannte seinen schlendernden Gang, das Kinn gesenkt, als wäre er tief in Gedanken.
    Ihr Freudenschrei war so laut, dass die Hauswände wackelten. Im nächsten Moment stürmte sie nach unten und stolperte in ihrer Hast über ihre Füße. Sie sauste zur Rückseite des Hauses und rief: »Er kommt! Er kommt!«
    »Schon? Das kann nicht sein!«
    Ihre Mutter saß auf den Knien, ausladend und vollbusig in ihrem langen Unterkimono – nicht weiß, wie ihn eine züchtige Samurai-Ehefrau tragen würde, sondern in einem sinnlichen Scharlachrot. Okatsu, Takas Dienerin, hielt eine Schale mit in Tee oxidierten Eisenspänen und Gallnusspulver – die übliche Mischung –, während Fujino die schwarze Politur auf ihren Zähnen ausbesserte. Taka rümpfte die Nase. Der Geruch führte sie in die Kindheit zurück. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, wie weit sie seit ihrer Abreise aus Tokyo in die Vergangenheit zurückgekehrt waren. Fujino hatte sich wieder vollkommen in die Mutter verwandelt, an die Taka sich aus Kyoto erinnerte. Sie rasierte sich sogar wieder die Brauen.
    Fujino hatte westliche Kleider anprobiert, die nun in Haufen aus Spitze, Seide und Satin im Zimmer herumlagen. Prächtige Kimonos hingen auf Ständern.
    »Rasch, Taka, komm und hilf mir. Was hältst du von dem hier?«, rief sie. Ihr gewaltiger Busen bebte, als sie ein

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