Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
zwei Raupen über ihren Augen sprossen.
»Seit mehreren Monaten habe ich nach einer guten Konstellation für dich Ausschau gehalten.« Fujino beugte sich vor und schaute Taka auf ihre unangenehm direkte Art an. »Dir sind sicher all die Nachbarinnen aufgefallen, die zu Besuch kamen. Diese Besuche gelten nicht mir, sondern du bist es, die sie sich anschauen wollten. Ich habe mit vielen Bewerbern Gespräche geführt und bin stolz darauf, sagen zu können, dass ich ausgesprochen wählerisch war. An die zwanzig Angebote habe ich bekommen, sie alle durchdacht und abgelehnt. Nie hätte ich erwartet, das allein tun zu müssen.«
Eine Mücke surrte durch den Raum, und Taka scheuchte sie weg.
»Ich habe mein Bestes getan, und ich bin sicher, den richtigen Kandidaten gefunden zu haben. Die ganze Nacht habe ich darüber nachgedacht. Dies ist der Mann, von dem dein Vater sich wünschen würde, dass du ihn heiratest.«
»Heiraten …?« Taka fröstelte trotz der Hitze. »Aber, Mutter …«
Ihr war schon die Vermutung gekommen, dass Fujino darauf hinauswollte, doch sie hatte den Gedanken von sich geschoben. Taka ließ den Kopf hängen. Immer wieder hatte sie erlebt, wie ihre Schulkameradinnen sich eine nach der anderen verabschiedeten und die Schule verließen, ihre Gesichter zu steifem Lächeln erstarrt, während sie an eine Zukunft dachten, die sie sich nicht vorstellen konnten, mit einem Mann, den sie erst noch kennenlernen mussten. Doch Taka hatte sich stets eingeredet, sie sei diejenige, die davonkommen würde.
Fujino stieß ihr perlendes Geisha-Lachen aus. Taka konnte es nicht leiden, wenn ihre Mutter ihr Geisha-Gesicht aufsetzte. Es bedeutete, dass sie Taka beschwatzen würde, etwas zu tun, was sie nicht wollte.
»Komm, komm, junge Frau«, sagte sie. »Kein Grund, so zu schauen, als hättest du einen grausigen Geist gesehen. Du weißt, wie modern ich bin. Es ist nicht mehr so wie in alten Zeiten. Als ich ein Mädchen war – jünger als du, sehr viel jünger –, hat deine Großmutter mich einfach weggeschickt. Sie hat mir nicht mal erzählt, was sie plante.«
Taka wusste genau, wovon ihre Mutter sprach. Sie weggeschickt, um entjungfert zu werden, meinte sie.
Taka erinnerte sich an die letzten Tage im Geisha-Haus in Kyoto. Als sie darüber geklagt hatte, nach Tokyo ziehen zu müssen, hatte Haruyu, die verwelkte alte Geisha, die dort arbeitete, ihr gesagt, wie glücklich sie sich schätzen könne. Es bedeutete, dass sie nie so enden würde wie Haruyu. Die alte Dame hatte sich mit dreizehn, sobald sie als Erwachsene galt, einreihen müssen, um von einem Kunden ausgewählt zu werden. Haruyu hatte einen Kamm versteckt, erzählte sie Taka, hinten unter das Haar geschoben. Er galt als Amulett, das sie davor bewahren sollte, ausgewählt zu werden, doch es gab keine Garantie dafür. Und auch wenn der uralte, hängebackige Seidenhändler oder der schwitzhändige Lieferant für Lackarbeiten ein anderes Mädchen für die Nacht auswählte, würde ihre Jungfräulichkeit doch an jemanden verkauft werden müssen. Schließlich hatte sie Schulden zurückzuzahlen. Haruyu beklagte sich nicht über ihr Los. So geschah es eben mit Frauen wie ihnen.
»Die Ehe ist kein so schreckliches Schicksal wie das, mit dem ich fertigwerden musste, das kann ich dir versichern.« Fujino zeigte ihr überlegenes Lächeln, als wäre damit alles geklärt. Taka war sich dessen überhaupt nicht sicher. Sie vermutete, dass die Ehe sich kaum von dem unterscheiden würde, was mit ihrer Mutter und Haruyu geschehen war. Auch sie würde mit jemandem das Kissen teilen müssen, den sie nicht kannte.
Ihre Mutter blickte zu den Dienerinnen, die sich diskret zuückzogen. Sie rückte näher zu Taka und senkte die Stimme. »Das Angebot kam durch einen gewissen Hiroyuki Hashimoto, einen Herrn von vorzüglichem Leumund und äußert geeignet, deine Heirat zu vermitteln. Er lernte deinen Vater kennen, als der noch in der Regierung war. Herr Hashimoto ist der Bürovorsteher des Shimada-Unternehmens.« Sie hielt inne und schaute Taka mit einem wissenden Lächeln an. Taka wusste, dass ihre Mutter von ihr mehr Begeisterung erwartete. Die Shimadas gehörten zwar dem niederen Kaufmannsstand an, aber sie waren außerordentlich wohlhabend, erfolgreich und führten, nach allem, was Taka gehört hatte, praktisch die Regierung.
Fujino atmete ein und fächelte sich Luft zu, als versetzte allein der Gedanke an diese Leute sie in Aufregung. »Das Haus Shimada möchte eine Verbindung
Weitere Kostenlose Bücher