Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
tätschelte ihr den Arm. »Aber nichts hindert dich daran weiterzulernen, wenn du Masuda-samas Braut geworden bist.«
»Was ist mit Eijiro? Den zwingst du nicht zu heiraten!« Plötzlich kam ihr alles so ungerecht vor. Ihr Bruder hatte sich in einen ungebärdigen jungen Mann verwandelt, der seine Zeit vertrödelte und keine Anstalten machte, erwachsen zu werden, ganz zu schweigen davon, zu heiraten und sich niederzulassen.
Das Gesicht ihrer Mutter wurde weich. »Alles zu seiner Zeit, meine Liebe, alles zu seiner Zeit. Er ist ein Mann, was erwartest du? Das ist es, was Männer tun. Du wirst es erfahren, wenn du eigene Söhne hast. Sie haben ihre ungestümen Phasen, wenn sie jung sind, doch dann kommen sie zur Ruhe und übernehmen den Haushalt, genau wie ihre Väter.«
»Aber du wurdest nicht gezwungen, einen Fremden zu heiraten, Mutter. Du und Vater …«
General Kitaoka war nie ein strenger Patriarch gewesen, unnahbar und reserviert wie die Väter anderer Mädchen. Als er hier bei ihnen lebte, hatte sie ihn über das Haar ihrer Mutter streichen sehen, wenn er glaubte, niemand würde hinschauen, und er hatte seinen großen Kopf an ihren Busen gelegt. Taka wusste, wie gern sich die beiden hatten.
Fast drei Jahre war es jetzt her, seit er sich mit seinen Kollegen zerstritten hatte, von seinem Regierungsamt zurückgetreten war, seine Taschen gepackt hatte und in einer Staubwolke an der Spitze einer langen Rikschakolonne verschwunden war. Hin und wieder kam ein Brief. Er lebe jetzt auf seinem Landsitz, schrieb er. Er jage, angele, mache ausgedehnte Spaziergänge mit seinen Hunden, übe sich in der Schwertkunst, lese Bücher und schreibe Gedichte. Manchmal versuchte Taka, sich sein neues Leben vorzustellen. Sie wusste, dass er mit seiner Samurai-Ehefrau in der Stadt Kagoshima lebte, in der Provinz Satsuma, an der südlichsten Spitze der Insel Kyushu, so weit entfernt, dass es ihr wie das Ende der Welt vorkam. Wie trostlos das sein musste, dachte sie, nach dem kultivierten Kyoto und dem aufregenden Tokyo.
Als er fortging, hatte sie sich gewünscht, er hätte sie mit nach Kagoshima genommen. Es wäre so leicht gewesen, sie alle – ihre Mutter, ihren Bruder und sie selbst – in einem zusätzlichen Haus unterzubringen, getrennt von seiner Frau. Aber jetzt war sie froh, dass er sie in Tokyo zurückgelassen hatte. Sie konnte sich kein schlimmeres Schicksal vorstellen, als an so einen Ort verbannt zu sein.
Gleichwohl, wie seltsam und widersprüchlich sein Verhalten auch sein mochte, hätte er sie nie zu einer Heirat gezwungen, das wusste sie. Er war zu unkonventionell und liebte sie zu sehr.
»Lieber würde ich eine Geisha werden wie du.« Die Worte waren ihr einfach so herausgeplatzt. Ihre Mutter fuhr hoch.
»Das reicht jetzt. Wir sind die nachrangige Familie von General Kitaoka, vergiss das nie. Wir sind gesellschaftlich aufgestiegen, und ich werde keinesfalls zulassen, dass du den Namen der Familie in den Schmutz ziehst. Du wirst viel, viel mehr erreichen, als es mir je gelang. Und damit Schluss.«
»Aber warum hast du all das Geld für meine Schulbildung ausgegeben, wenn du von vornherein vorhattest, mich zu verheiraten, damit ich mein Leben eingesperrt im Haus von jemand anderem verbringe?«, jammerte Taka. »Das ist nicht besser, als ein Dienstbote zu sein. Warum kann ich nicht arbeiten? Ich könnte Dichtkunst unterrichten oder Malerei.« Ihre Mutter hob ihre Raupenbrauen. »Ich weiß, ich bin nur eine Frau, doch ich könnte eine Gelehrte sein, eine gute Gelehrte«, fügte Taka kläglich hinzu, um dieses spöttische Lächeln aus Fujinos Gesicht zu wischen. »Ich würde der erste weibliche Gelehrte sein. Du wolltest, dass ich fortschrittlich bin. Das wäre sehr fortschrittlich.«
Ihre Mutter wedelte ungeduldig mit dem Fächer.
»Ich wusste doch, dass dir all diese Schuldbildung nicht guttun würde. Das habe ich auch deinem Vater gesagt.« Sie seufzte. »Du bist genau nach ihm geraten, Liebes, und nach mir ebenfalls, wie ich gestehen muss – eigensinnig. Vermutlich hätte ich nicht erwarten dürfen, dass die Tochter einer Geisha sich so wohlerzogen verhält wie ein Samurai-Mädchen. Trotzdem wirst du tun, was man dir befiehlt.«
Die Dienerinnen hatten Tee gebracht, und sie schenkte sich und Taka eine Tasse ein, beugte sich dann vor und tätschelte die Hand ihrer Tochter.
»Aber du hast recht, meine Liebe. Wir leben im Zeitalter der Zivilisation und Aufklärung, und wir tun die Dinge auf moderne Art.
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