Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Fujino.
Nobu hörte den Schlag und sah Taka auf den Knien schwanken und blass werden. Sie hob die Hand an den Kopf, und Tränen schossen ihr in die Augen. Wütend und mit bebenden Lippen funkelte sie Eijiro an.
Es war nichts Außergewöhnliches daran, dass Eijiro seine Schwester schlug. Frauen waren Eigentum, genau wie die Dienstboten, und ihre Männer konnten mit ihnen machen, was sie wollten – sie bestrafen, schlagen, sogar töten. So war es bei den Aizu auch gewesen. Taka war nur ein Besitzstück, das man in ein anderes Haus schicken konnte. Doch auch wenn Nobu das alles wusste, konnte er es irgendwie nicht so betrachten. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten, sich nicht auf Eijiro zu stürzen, obwohl er wusste, dass er erledigt war, sobald er die Hand gegen ihn erhob.
»Und du, Okatsu«, sagte Fujino. »Du solltest es besser wissen. Du bist eine erwachsene Frau. Du hättest Taka zurückhalten müssen. Dafür haben wir dich eingestellt! Wir müssen uns nach jemand anderem umschauen, wenn du nicht achtgibst. Ich bin enttäuscht von dir.«
Okatsu war auf Händen und Knien, das Gesicht auf den Boden gedrückt. Sie blickte auf. »Es ist nicht so, wie Sie denken, Herrin«, flüsterte sie mit zitternder Stimme. »Ich habe die beiden nie allein gelassen. Ich kann mich für sie verbürgen. Sie haben nichts Unrechtes getan.« Sie weinte, verneigte sich ein ums andere Mal. »Es tut mir leid, es tut mir leid.«
»Dich trifft keine Schuld, Okatsu.« Eijiro wirbelte herum. Taka hielt sich immer noch den Kopf. »Aber dich, Mädchen – gibst dich mit Männer ab, machst dich mit einem Dienstboten und Feind gemein. Du hast Schande über dieses Haus gebracht!«
Er hob den Reibstein auf, spritzte Takas Kimono und die ganze Veranda mit Tusche voll und bog den Arm zurück, als wollte er ihr den Stein an den Kopf schlagen. Nobu keuchte vor Entsetzen, sprang auf und packte Eijiros Handgelenk. Noch während er das tat, wusste er, dass er jede Chance verwirkt hatte, hier im Haus zu bleiben.
Ein Glitzern stand in Eijiros Augen. Er hatte Nobu dazu aufgestachelt, genau das zu tun: sich so schlecht zu benehmen, dass ihm keine andere Wahl blieb, als Nobu rauszuwerfen.
Jetzt hatte er nichts mehr zu verlieren, war so blind vor Wut, dass er kaum sehen oder denken konnte. Sein Herz hämmerte, und sein Atem kam in kurzen, scharfen Stößen. Er war bereit, Eijiro zu töten.
Eijiro war größer und stärker, aber Nobu zog ihn an sich heran und versetzte ihm einen Hieb. Am liebsten hätte er ihm den Arm um den Hals geschlungen, doch selbst in diesem Augenblick der Raserei wusste er, dass er damit zu weit gehen würde.
Im nächsten Moment flog er rücklings von der Veranda. Als er auf den Kies krachte, landete Eijiro auf ihm und drosch auf ihn ein. Nobu roch Schweiß und Blut. Er sah nur noch einen blutigen Dunst. Verzweifelt fuchtelte er mit den Armen, um einen weiteren Hieb landen zu können, und spürte, wie seine Faust auf etwas Hartes prallte. Eijiro stieß ein Jaulen aus.
Fujino schrie: »Hilfe, Hilfe! Kommt schnell, haltet sie auf. Er tötet meinen Sohn.«
Nobu fühlte sich verraten. Also war sie nur um ihren Sohn besorgt, nicht um ihn. Er hatte sich geirrt, hatte kein neues Zuhause gefunden, das hier war überhaupt nicht sein Zuhause. Aller Kampfesmut verließ ihn. Seine Verzweiflung war so tief, dass er nicht mal die nächsten Hiebe von Eijiro abwehrte, bevor die Dienstboten angerannt kamen und sie auseinanderzerrten.
Eijiro blickte auf Nobu hinunter, die Hände in die Hüften gestemmt. »Undankbarer Schurke. Du kannst von Glück sagen, dass ich dich nicht getötet habe. Wir haben dich aufgenommen, und schau, wie du es uns vergiltst!« Er blickte finster, aber da war auch ein leichtes Grinsen in seinem Gesicht. »Verschwinde, auf der Stelle.«
»Lass ihn seine Habe mitnehmen.« Das war Takas Stimme. Sie schluchzte.
»Habe? Er besitzt nichts, nur das, was wir ihm gegeben haben.«
Nobu setzte sich langsam auf und hob die Hand ans Gesicht. Sie wurde rot von Blut.
»Aizu-Köter. Setz nie wieder einen Fuß auf dieses Anwesen«, blaffte Eijiro. »Gonsuké, Chubei. Werft ihn raus.«
Die Dienstboten halfen Nobu hoch. Er hörte Eijiros Stimme. »Kein Grund, sanft mit ihm zu sein. Er ist ein Verbrecher, denkt dran, und ein Aizu.« Sie schleppten ihn zur Vorderseite des Hauses. Er stolperte über den Kies, durch die moosbedeckten Gärten und unter den Kiefern hindurch. Das große Tor mit dem gewölbten Sturz und dem schweren,
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