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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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bis die ganze Luft zischte und knisterte und der Himmel in farbenfrohen Flammen stand. Schließlich endete das Feuerwerk, der Himmel wurde wieder dunkel, und die Menschen machten sich allmählich auf den Heimweg.
    Also war Nobu doch nicht gekommen. Taka hatte sich immer wieder eingeredet, er würde nicht kommen – lieber keinen Preis für das Dachsfell festsetzen, ermahnte sie sich streng –, trotzdem empfand sie schmerzliche Enttäuschung. Wahrscheinlich hatte er ihre Botschaft nie erhalten, und falls doch, hatte er nicht begriffen, was sie meinte, oder hatte nicht fortgehen können. Oder vielleicht hatte er es gar nicht gewollt, vielleicht war das der eigentliche Grund. Zwei Jahre waren eine lange Zeit. Womöglich hatte er sie vergessen. Sie hatte keine Ahnung, was in seinem Leben passiert war. Möglicherweise glich er überhaupt nicht mehr dem Jungen, den sie in Erinnerung hatte. Ist wohl am besten so, dass er nicht gekommen ist, redete sie sich fest ein.
    Der Sieben-Tage-Mond ging auf, ein Halbkreis, der am Horizont schimmerte und das Sternenlicht trübte.
    »Herrin, es ist Zeit zu gehen«, ermahnte Okatsu sie ernst. »Ihre Mutter wird schon warten.«
    Missmutig folgte Taka ihr über das Tempelgelände zum äußeren Tor. Sie waren auf dem Weg hinaus, als das Rattern von Rädern und das Geräusch trappelnder Füße erklang und eine Rikscha vor ihnen anhielt. Sie traten beiseite, und ein junger Mann sprang heraus.
    Taka schnappte nach Luft. Das Gesicht des Mannes lag im Schatten, aber im bleichen Licht des Mondes konnte sie seine Gesichtszüge doch gut genug ausmachen – das feste Kinn und die schrägen Wangenknochen, die schmalen schwarzen Augen, die markante Nase, den vollen Mund und den langen Hals. Das war nicht mehr der schlaksige Sechzehnjährige, der ihr Haus vor zwei Jahren verlassen hatte. Er war größer und gut gebaut – er war ein Mann geworden. Doch sie erkannte ihn trotzdem, erkannte ihn an seiner Haltung, aufgerichtet und stolz, wenn er meinte, niemand würde ihn beobachten, und sie erinnerte sich daran, wie er zusammensackte und die Schultern einzog wie ein gehorsamer Dienstbote, wenn er jemanden kommen hörte. Er trug Hakama-Hosen und eine Jacke, recht förmlich für einen so warmen Abend, und hatte ein Handtuch dabei, als wäre er auf dem Weg zum Badehaus. Sie musste lächeln. Selbst jetzt sah er aus, als trüge er die Kleider von jemand anderem.
    Dann merkte sie, dass sie ihn auf eine Weise anstarrte, die sich für eine gut erzogene junge Dame nicht gehörte, und senkte rasch den Blick. Nachdem er nun hier war, hatte es ihr die Sprache verschlagen. Taka hatte fast vergessen, warum sie ihm den Brief geschickt hatte. Ihr kam es vor, als hätte sie einen Geist aus der Vergangenheit heraufbeschworen. Er konnte nicht wirklich sein.
    Das Rattern der Rikscharäder verklang in der Ferne, und die Straße wurde still. Der junge Mann band seine Börse wieder an die Schärpe. Er blickte auf, sah Okatsu und starrte sie an, als wäre nun er derjenige, der einen Geist sah. Dann fiel sein Blick auf Taka. Er schnappte ebenfalls nach Luft, zögerte kurz, und ihr wurde klar, dass auch sie sich verändert haben musste. Ein Lächeln breitete sich über sein ganzes Gesicht. Er trat auf sie zu, blieb jedoch stehen, als wäre ihm plötzlich eingefallen, wer die beiden Frauen waren und wer er war. Er verbeugte sich ehrerbietig.
    »Nobu-sama?«, fragte Taka und nahm peinlich berührt das Zittern in ihrer Stimme wahr.
    »Gnädige Frau«, erwiderte er mit gesenktem Kopf. Sie erkannte das leicht nördliche Näseln, obwohl seine Stimme jetzt tiefer war. Nervös verdrehte er das Handtuch. Seine Hände waren groß geworden, bemerkte sie. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht missverstanden, gnädige Frau. Ich habe Ihren Brief bekommen und dachte, Sie wollten mich zu sich rufen. Wenn ich mich geirrt haben sollte, werde ich sofort gehen. Ich will mich auf keinen Fall aufdrängen«, sagte er streng, und Taka erinnerte sich, wie grausam ihr Bruder ihn behandelt hatte. Nobu musste der ganzen Familie gegenüber argwöhnisch sein.
    Sie verneigte sich schüchtern. »Sie haben sich nicht geirrt, Nobu-sama. Heute ist Tanabata. Ich wollte es mit Ihnen feiern. Es ist genau zwei Jahre her, seit Sie unser Haus verlassen haben.«
    Sein Gesicht wurde weicher. »Ich bin so froh, Sie zu sehen, gnädige Frau, und Okatsu auch. Ich hatte nie geglaubt, Sie wiederzusehen.«
    Getas klapperten über die Straße, als Leute mit wedelndem Fächer den Tempel

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