Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Zeremonienmeisters Kira gewaschen hatten. Nicht weit davon entfernt bewachte ein Priester mit kahl geschorenem Schädel einen Verkaufsstand.
»Wir sollten Räucherstäbchen kaufen«, sagte Taka.
Nobu schaute sich die ausgestellten Amulette an, die Gebete für gute Gesundheit, Wohlstand und Schutz für unterwegs enthielten. »Amulette vom Sengaku müssen besonders wirksam sein«, meinte er, wählte eines aus und kaufte es. Taka spürte die Berührung seiner Finger, als er es ihr in die Hand legte. Sie betrachtete den kleinen Brokatbeutel aus roter Seide mit dem in Gold aufgestickten Namen des Tempels – Sengaku – und dem darin verborgenen Gebet. Der Beutel war klein und leicht wie eine Feder. »Ein Glücksbringer. Ein Andenken an die Siebenundvierzig – und den heutigen Abend.«
»Es wirkt nur noch ein halbes Jahr«, entschuldigte sich der Priester. »Für ein halbes Jahr Glück.« Amulette verloren ihre Wirkung immer am Ende des Jahres.
»Ich werde es stets bei mir tragen.« Taka steckte es in den Ärmel ihres Yukata, während sie zu Kuranosukes Grabmal gingen, um die Räucherstäbchen anzuzünden. Sie neigte den Kopf und wünschte sich, die Götter würden die Zeit anhalten.
»Kommen Sie.« Taka griff wieder nach seiner Hand. »Gehen wir zum Bambushain.«
Sie wanderten durch den Bambus, hörten das Rascheln der Zweige, die sich unter dem Gewicht all der auf Papier geschriebenen Wünsche bogen.
»Ich möchte Ihnen danken, gnädige Frau. Ich bin jetzt in der Armee. Als ich hörte, dass man mich aufgenommen hatte, war das der beste Tag meines Lebens. Und es lag nur an Ihnen, dass ich die Prüfungen bestanden hatte. Ich bin so dankbar für die Hilfe, die Sie mir gewährt haben. Nie werde ich vergessen, wie wir zusammen gesessen und gelesen haben. Und Sie, gnädige Frau …« Sein Ton veränderte sich. Er ließ ihre Hand los und trat einen Schritt zurück. »Ihr Bruder hat mir erzählt, dass Sie heiraten werden. Ich sollte Ihnen Glück wünschen.«
Er verbeugte sich steif. Taka hatte sich so sehr gewünscht, mit ihm über diese gefürchtete Heirat reden zu können. Das war der Grund, warum sie ihn zu sich gerufen hatte, fiel ihr jetzt ein. Aber nachdem er jetzt hier war, konnte sie es kaum ertragen, auch nur daran zu denken.
»Das geht nicht von mir aus. Ich habe dabei nicht mitzureden.« Taka starrte ihn verzweifelt an.
»Ihre Mutter ist gut und freundlich und hat Sie gern. Sie würde Sie nicht zwingen, jemanden zu heiraten, den Sie nicht mögen.«
Sie seufzte hilflos. Vielleicht hatte er recht. Nobu war zwei Jahre älter als sie, er war ein Erwachsener, und ihr war immer beigebracht worden, dass Erwachsene alle Antworten kannten. »Sie redet sich ein, es wäre das Beste für mich und ich würde am Ende glücklich werden«, sagte sie kläglich.
Ein Zischen und ein Knall ertönten, und ein einzelner Feuerwerkskörper explodierte am Himmel. In dem plötzlichen Aufblitzen sah sie sein Gesicht deutlich erleuchtet vom grellen Licht. Er sah hungrig aus, gequält.
»Also ist dies meine einzige Chance, dich zu sehen, meine Weberprinzessin«, sagte er abrupt mit sehnsuchtsvollem Ton. Sie zuckte zusammen. Seine Worte trafen sie völlig unvorbereitet. Die Wellen, die ans Ufer der Bucht schlugen, machten ein verlorenes Geräusch. Die gewaltige Größe des Meeres, die funkelnden Sterne am schwarzen Himmel, der sich bis in die Unendlichkeit erstreckte, gaben ihr das Gefühl, winzig, verloren und verlassen zu sein.
»Wann musst du zurück in die Kaserne?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Sie spürte das Amulett in ihrem Ärmel. »Wirst du noch einmal zu mir kommen?«
Vertrautes Geta-Getrappel eilte über die Begräbnisstätte auf sie zu – Okatsu, die sie nach Hause bringen wollte.
Nobu nahm ihre Hand in seine beiden und drückte sie fest.
»Ich werde eine Möglichkeit finden. Das verspreche ich dir«, sagte er.
12
Nobu sah die beiden schlanken Gestalten in ihren Yukatas die Straße entlangtrippeln, sich immer wieder umdrehen und verbeugen. Er wartete, bis sie mit der Dunkelheit verschmolzen, drehte sich dann langsam um und machte sich auf den langen Heimweg zu Moris Haus.
Als Dienstbote war er es gewohnt, hinter dem Pferd oder der Rikscha seines Herrn zu rennen, daher war Laufen für ihn keine Mühsal. Während er auf der Tokaido unter den Lampions ausschritt, deren lange Papierstreifen schlaff in der feuchten Luft hingen, hatte er Zeit zum Nachdenken. Für gewöhnlich eilte er unentwegt herum, ständig
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