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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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Siebenundvierzig wussten, dass Fürst Kira mit ihrer Rache rechnen, sein Haus befestigen und sich mit bewaffneten Männern umgeben würde. Wenn ihre Mission Erfolg haben sollte, würden sie dafür sorgen müssen, dass er in seiner Wachsamkeit nachließ. Um ihn von ihrer Spur abzubringen, gingen sie jeder ihrer eigenen Wege, als hätten sie, nachdem sie nun herrenlos waren, ihre Lehenspflicht vergessen und ihren Samurai-Stolz verloren. Einige wurden Tischler oder Handwerker, andere Händler.
    Oishi Kuranosuke, ihr Anführer, war ein berühmter Krieger. Er wusste, es würde schwer sein, Fürst Kira davon zu überzeugen, dass er den Rachefeldzug nicht fortsetzen würde. Zuerst verließ Kuranosuke sein Heim und zog nach Kyoto, in das Geisha-Viertel Gion, und machte es sich zur Angewohnheit, Häuser von schlechtem Ruf zu besuchen und sich Trunkenheit und Ausschweifung hinzugeben. Passanten sahen ihn betrunken auf der Straße liegen und spuckten ihn an, entsetzt über ein so unehrenhaftes Benehmen. Er ließ sich sogar von seiner Frau scheiden, schickte sie zurück zu ihren Eltern und nahm sich eine Konkubine.
    Er wusste sehr wohl, dass Fürst Kira Spione auf ihn ansetzen und ihn unter Beobachtung halten würde. Zwei Jahre vergingen, und schließlich war Fürst Kira überzeugt davon, dass die Gefolgsleute wirklich Feiglinge waren, die ihre heilige Pflicht der Rache vergessen hatten. Er schickte seine Wachen fort. Der Augenblick war gekommen.
    Es war mitten im Winter, und der Schnee lag hoch, als die Siebenundvierzig Fürst Kiras Residenz am östlichen Ufer des Flusses Sumida stürmten. Der feige Zeremonienmeister versteckte sich im Holzschuppen. Auf der Suche nach ihm stießen die Gefolgsleute Speere durch die Wände, bis sie einen mit Blut an der Spitze herauszogen. Sie hatten ihn gefunden, zerrten ihn heraus und töteten ihn mit demselben Kurzschwert, mit dem sich Fürst Asano hatte entleiben müssen.
    Dann schlugen sie ihm den Kopf ab, brachten ihn zum Sengaku-Tempel, wuschen ihn in der Quelle auf dem Hügel und legten ihn vor dem Grabmal ihres toten Herrn ab. Nachdem ihre Rache vollbracht war, stellten sich die Gefolgsleute dem Shogun. Sie hatten das Gesetz gebrochen, und trotz seines Mitgefühls war der Shogun verpflichtet, alle siebenundvierzig zu verurteilen, durch eigene Hand zu sterben. Als ihre Leichname für das Begräbnis zum Sengaku-Tempel getragen wurden, versammelten sich die Menschen in den Straßen, um ihre Zustimmung für die Hingabe und dem Ehrgefühl der Ronin zum Ausdruck zu bringen.
    »Meine Mutter hat mir die Geschichte erzählt«, sagte Nobu leise. »Sie wollte, dass ich wie diese Männer werde. Niemals Angst haben, meine Pflicht erfüllen, die Ehre über alles andere stellen. Ich mag zwar als Dienstbote arbeiten müssen, aber ich kann trotzdem danach streben, ein ehrenhaftes Leben zu führen.«
    Nobu kam ihr selbst wie ein Ronin vor, ging Taka durch den Kopf, als wäre er wie Oishi Kuranosuke, der vorgab, etwas zu sein, was er nicht war.
    »Sie sind kein Dienstbote, Nobu-sama.« Sie griff nach seiner Hand, erstaunt über ihre Kühnheit, etwas so Ungebührliches zu tun. Seine Handfläche war ziemlich rau und schwielig, und sie konnte die Wärme darin spüren.
    Er schloss seine langen Finger um ihre kleinen. »Ich kann es nicht fassen, dass ich hier mit Ihnen bin«, sagte er. »Das ist wie ein Traum. Es kann nicht wahr sein.«
    Wind kam auf, es raschelte in den Bäumen, als wären die Geister der siebenundvierzig Krieger unter ihnen. Der dünne Rauch der Räucherstäbchen vor jedem Grabmal erfüllte die Luft mit feierlichem Geruch. Eine Weile standen sie beide schweigend da.
    »Es tut mir leid, dass mein Bruder so unfreundlich zu Ihnen war«, flüsterte Taka. So vieles gab es zu sagen und so wenig Zeit dafür.
    »Ihm lag Ihre Ehre am Herzen, und er wollte nur das Beste für Sie.«
    »Er sagte, Sie hätten ihm geholfen. Ich war so froh zu erfahren, wo Sie sind.«
    »Er brauchte meine Hilfe nicht. Ein paar Raufbolde haben ihn herumgeschubst, das war alles. Ich wollte nicht, dass Sie von meinem Aufenthalt in Yoshiwara erfuhren. Sie müssen ja denken, ich wäre kein Mann von Ehre.«
    Wolken schoben sich vor den Mond und verdeckten ihn.
    Als sie die Begräbnisstätte verließen, sahen sie Wasser schimmern. Neben dem Pfad war ein kleiner Brunnen, umgrenzt von einem Bambuszaun und umgeben von Steinen und Farnkraut – »die Quelle auf dem Hügel«, in der die Ronin den Kopf des niederträchtigen

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