Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
Mutter, wo bist du? Sake, sofort! Meine Gäste warten!«
Fujino legte die Hand auf den Boden und stemmte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit hoch, das Gesicht rot vor Zorn. »Sie führen sich auf, als wäre das hier ein Teehaus. Wofür halten sie mich? Sohn oder nicht, ich lasse mir das nicht länger bieten. Sie können nach Yoshiwara verschwinden, wo solche ungehobelten Zusammenkünfte hingehören.«
Sie richtete sich auf, zupfte das Yukata um ihren großen Busen zurecht und segelte hinaus.
Seufzend nahm Taka ihre Näharbeit wieder auf. Selbst Okatsu war dazu gezwungen worden, Eijiros Gäste zu bedienen. Taka stellte sie sich vor, wie sie gutmütig lächelnd Eijiros Freunden auswich, während die sie betatschten. Die jungen Männer grölten ein Trinklied der Satsuma. Sie hörte sie stampfen und klatschen.
Taka ging auf die Veranda und schaute in die Nacht hinaus. Hoher Bambus schwankte vor dem Himmel. Sie konnte die knorrigen Formen der Kiefern ausmachen, die wie Geister aufragenden Steinlaternen und die dunkle Senke, von der aus sich der Pfad um den Teich und in den Wald schlängelte.
Nachdenklich kaute sie an ihrer Lippe. Sie wohnten schon so lange in diesem schönen Haus, dass sie Kyoto und die dunklen Tage des Kämpfens fast vergessen hatte, doch jetzt hetzte Eijiro die anderen wieder auf. Solange sie sich erinnern konnte, war ihr Bruder immer wild auf einen Kampf gewesen. Zu viele Jahre waren in Untätigkeit vergangen. All diese Jungen sehnten sich nach einem Anliegen, nach etwas, das sie befeuerte, für das es sich zu kämpfen, ja wenn nötig zu sterben lohnte.
Eijiro hatte ihren Vater erwähnt. Seit Jahren war ihr geliebter Vater nicht mehr in Tokyo, doch alle nannten seinen Namen immer noch mit Ehrfurcht. Je länger er fort war, desto mehr erschien er manchen wie ein gottgleiches Wesen, als wäre er übermenschlich geworden. Er stand nun für etwas, das größer war als er selbst. Wann immer Eijiro oder andere Kritik am neuen Regime und all den Veränderungen äußerten, die es mit sich brachte, wurde sein Name ins Feld geführt.
Taka hatte von Eijiro wissen wollen, was denn vorging, doch er hatte nur geantwortet: »Halt du dich an deine Näharbeiten, kleines Mädchen. Steck deine Nase nicht in Männerangelegenheiten.«
»Deine Aufgabe ist es, dich auf deine Hochzeit vorzubereiten und zu lernen, einen Hausstand zu führen«, hatte Fujino sie ermahnt. »Und dann Kinder zu bekommen. Überlass die Politik den Männern. Denk daran: eine kluge Frau lässt einen Mann nicht merken, wie klug sie ist. Vergiss das nie.« Und wie sehr Taka sie auch bedrängt hatte, mehr wollte Fujino nicht sagen.
Plötzlich war von irgendwoher ein Geräusch zu hören – ein Rascheln in den Büschen, das Trappeln von Füßen. Taka schrak zusammen, ihr Herz klopfte, und sie lauschte angespannt, hoffte, sie hätte es sich nur eingebildet. Noch ein Geräusch, ganz deutlich – ein knackender Zweig, als wäre da draußen ein Fuchs oder ein Dachs. Oder ein Eindringling.
In diesen gefährlichen Zeiten war es nur zu wahrscheinlich, dass sich ein Meuchelmörder heranschlich, verstohlen wie ein Ninja. Im Süden hatte es Rebellionen gegeben, das wusste sogar sie. Onkel Shimpei – Eto Shimpei, der alte Kollege ihres Vaters, der Justizminister gewesen war, als ihr Vater die Regierung leitete – hatte zwei Jahre zuvor eine davon angeführt. Sie hatte gehört, wie ihre Mutter in gedämpftem Ton mit Tante Kiharu darüber gesprochen hatte. Anscheinend war die Rebellion niedergeworfen und er hingerichtet worden. Erst neulich war ein Regierungsmitglied ermordet worden, und Taka wusste, dass ihr Vater viele Feinde hatte, die es auch auf seine Familie abgesehen haben konnten. Am Tor standen stets Wachen, bei Nacht sogar noch mehr, und die Mauern waren sehr hoch, aber jemand, der wirklich entschlossen war, konnte trotzdem darüberklettern.
Wieder knackten Zweige in der Dunkelheit, und Kies knirschte unter Schritten. Wer auch immer es war, er war sehr nahe beim Haus. Einen Moment lang trat Stille ein. Nicht mal das Surren einer Mücke war zu hören. Taka hielt den Atem an und ballte die Fäuste so fest, dass ihre Nägel sich in die Handflächen gruben. Dann erhaschte sie einen Blick auf eine schemenhafte Gestalt, die durch die Bäume huschte.
Zitternd tastete sie nach dem Dolch in ihrer Schärpe und umklammerte ihn. Sie spähte angestrengt in die Dunkelheit und konnte einen hochgewachsenen, schlanken Körper ausmachen, dann einen Kopf und
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